Von Legal Tech - Die digitale Transformation der Anwaltskanzlei
Wirft man einen Blick auf das Thema Zeitersparnis in der Anwaltspraxis, stößt man unter Umständen auf sogenannte Textbausteine. Sie sind zwar ein altes, aber im Zeitalter der Digitalisierung häufig unterschätztes Mittel, um im Bereich der Texterstellung deutlich effizienter zu arbeiten. Wie genau Sie Textbausteine in der Kanzlei nutzen können und was Sie dazu brauchen, erläutert der folgende Beitrag aus dem Buch „Legal Tech – Die digitale Transformation in der Anwaltskanzlei“.
Effizienzsteigerung durch Textbausteine
Anwendung finden Textbausteine nicht nur im Sekretariat, zum Beispiel im Rahmen des Fristverlängerungsantrags, sondern auch in der anwaltlichen Tätigkeit. Sehr viele anwaltliche Schreiben sind bis zu einem gewissen Grad standardisiert. Insbesondere wenn Sie viele Fälle aus einem Rechtsgebiet bearbeiten, werden Sie schnell auf immer gleiche Formulierungen zurückgreifen. Warum auch das Rad neu erfinden? Ein Schriftsatz hat nicht den Anspruch, ein literarisches Meisterwerk zu sein. Zudem interessiert es niemanden, wenn sich Schriftsätze inhaltlich ähneln. Wichtig sind eine gute Struktur und die verständliche Vermittlung der wesentlichen Informationen. Es ist auch nicht so, dass Textbausteine eine Eigenart der unternehmerisch denkenden Anwaltschaft sind. Formularhandbücher sind nichts anderes als Textbausteine.
Das alles bedeutet nicht, dass Ihre Schriftsätze nicht »schön« oder »gut geschrieben« sein sollen. Ganz im Gegenteil! Aber wenn Sie einmal einen Ihrer Ansicht nach sehr guten Schriftsatz verfasst haben, sollten Sie ihn anschließend auf potenziell wiederverwertbares Material kontrollieren. Denn so groß das Potenzial der Nutzung von digitalen Textbausteinen auch ist, hier sind Sie gefragt.
Den individuellen Stil auch mit Textbausteinen bewahren
Zwar verfügen die meisten Kanzleisoftwares über eine kleine Sammlung an Textbausteinen, diese sind jedoch in der Regel eher trivialer Natur. Insbesondere die im Sekretariat genutzten Textbausteine bedürfen nur minimaler oder überhaupt keiner Anpassung, da sich ihr Inhalt nicht groß verändern kann.
Demgegenüber zeigt sich bei Schriftsätzen, dass jeder Anwalt in irgendeiner Art und Weise doch seinen eigenen Stil hat. Darüber hinaus stellen auch Kanzleien selbst mitunter bestimmte formelle und inhaltliche Anforderungen an die Schriftsätze ihrer Mitarbeiter. In diesen Bereichen fällt es schwer, auf von Kanzleisoftwares mitgelieferte Textbausteine zurückzugreifen. Vielmehr sind Sie gefragt, Potenziale für Textbausteine zu identifizieren, diese dann zu erstellen und in die Kanzleisoftware einzupflegen.
Anfangs mag das etwas arbeitsaufwendiger sein. Denken Sie nur immer daran, dass Sie diese Arbeit nur ein einziges Mal zu erledigen haben. Danach können Sie jederzeit mit einem einzigen Klick auf die Textbausteine zurückgreifen. Im Idealfall trägt die Kanzleisoftware die für das jeweilige Mandat spezifischen Informationen automatisch in den Textbaustein ein.
Document Automation zur Optimierung des Workflows
Diese Funktion zeigt, dass digitale Textbausteine doch noch einen Schritt weiter gehen als herkömmliche Formularhandbücher mit ihren vorgefertigten Mustertexten. Mithilfe der richtigen Textbausteine und einer Informationsquelle wie der E-Akte kann eine solche Software gesamte Dokumente vollautomatisch generieren. Dies fällt unter den Sammelbegriff der Document Automation und wird gezielt zur Optimierung von Workflows entwickelt. Erfolgreiche Anbieter von Document-Automation-Software begnügen sich nicht mit der automatisierten Erstellung von Standard-E-Mails, sondern fokussieren sich auf größere Texte wie Verträge, Allgemeine Geschäftsbedingungen und ähnliche Vereinbarungen.
Document Automation am Beispiel von AGB
Dem liegt meist ein vergleichsweise simples Frage-Antwort-Prinzip zugrunde. So bestehen AGB etwa häufig aus einer Aneinanderreihung von Standardklauseln. Die Software fragt Sie, welche dieser Klauseln in welcher Form Sie benötigen, wer die Vertragsparteien sind und wie bestimmte Dinge wie Rücktritts- und Widerrufsrechte geregelt werden sollen. Aus Ihren Angaben werden schließlich in Sekundenschnelle fertige und verwendbare AGB generiert.
Anbieter von Document-Automation-Software
Falls Sie sich für dieses Thema genauer interessieren – wir können dies aufgrund der Zeitersparnis aus eigener Erfahrung nur empfehlen –, sollten Sie einen Blick auf den Anbieter Smart Documents werfen. Neben allgemeinen Leistungen wie Layout und Versand der generierten Texte sowie der Möglichkeit, ein Corporate Design (zur Markenbildung) einzustellen, spricht Smart Documents auch gezielt Rechtsanwälte an und wirbt mit der Integration von E-Akten.
WBS-Anekdote: Zeitersparnisse durch Document Automation
Im Januar 2016 wurden rund 1.000 von der Kanzlei WBS vertretene Tauschbörsennutzer gleichzeitig verklagt. Eine Klageerwiderung nahm durchschnittlich 90 Minuten in Anspruch – ein scheinbar aussichtsloses Unterfangen. Die Vielzahl an gleichgelagerten Fällen bot jedoch auch Raum für Automatisierungen. Mit der Software von Smart Documents konnte so der Zeitaufwand für die Erstellung einer Klageerwiderung immerhin auf 15 Minuten gesenkt werden.
Erstellung von Dokumenten durch Fragenkatalog bei Lawfit
Ein anderer Anbieter, der sich ausschließlich an Rechtsanwälte richtet, ist Lawlift. Dieser Dienst legt den Fokus auf juristische Dokumente, hat zahlreiche Vorlagen für verschiedene Vertragstypen im Angebot und wirbt mit detaillierten Fragenkatalogen. Während Sie die Fragen beantworten, können Sie bei der Erstellung des Dokuments zusehen und notfalls Anpassungen vornehmen. Dabei sind die einzelnen Fragen systematisch aufgebaut: Die Option eines Widerrufsrechts in AGB gibt es beispielsweise überhaupt nicht, wenn sich die AGB nicht an Verbraucher richten.
Einmaliger Arbeitsaufwand, der sich lohnt
Wir empfehlen Ihnen demnach uneingeschränkt, sich mit Document Automation oder zumindest einfachen Textbausteinen auseinanderzusetzen. Natürlich ist das wieder ein Bereich, in den Sie sich unter Umständen noch einarbeiten müssen, was wertvolle Zeit kostet. Die sich bietenden Ersparnisse gleichen das aber deutlich aus! Stellen Sie sich vor, Sie sollen mit einer stumpfen Säge eine Reihe von Bäumen fällen. Entweder Sie beginnen sofort und quälen sich bis zum Ziel. Oder Sie nehmen sich die Zeit, um die Säge zu schärfen, und gestalten Ihre Arbeit dann mühelos und sparen auf lange Sicht eine Menge Zeit.
Foto: Adobe Stock/Andrey Popov
Seit Anfang 2019 gibt es das Buch Legal Tech – Die digitale Transformation in der Anwaltskanzlei. Verfasst wurde es von den Autoren Christian Solmecke, Dr. Petra Arends-Paltzer und Robin Schmitt. Das 500 Seiten umfassende Werk ist in fünf Teile und 17 Kapitel gegliedert und liefert praktische Hinweise zur Nutzung von Legal Tech in der Anwaltskanzlei.