Geschäftsgebühr Legal Tech

Entscheidung des AG Köln: Anwaltliche Geschäftsgebühr durch und mit Legal Tech

Von Dr. Christina-Maria Leeb und Katherine Kitur

In einem kürzlich veröffentlichten Urteil (AG Köln v. 05.03.2020 – 120 C 137/19) hat das Amtsgericht Köln entschieden, dass der Vergütungstatbestand der anwaltlichen Geschäftsgebühr auch bei dem Einsatz von Legal Tech-Anwendungen erfüllt sei.

Ausgangslage

Im zu entscheidenden Fall wollten die Kläger nach einer Flugverspätung ihre Ansprüche aus der Fluggastrechte-Verordnung geltend machen. Zu diesem Zweck nahmen sie die Dienstleistungen der Prozessvollmächtigen in Anspruch. Auf deren Homepage trugen die Kläger die relevanten Daten ein, woraufhin der dortige Algorithmus das Bestehen eines Anspruchs prüfte und ein Anspruchsschreiben an die Fluggesellschaft generierte.

Nach einem Teilanerkenntnisurteil begehrten die Kläger unter anderem noch eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren.

Geschäftsgebühr auch für Programmierleistung im Vorfeld

Die Kölner Richter urteilten, dass den Klägern kein Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren durch die Beklagte zustünde, da ihnen kein kausaler Verzugsschaden entstanden sei. Die Geschäftsgebühr sei bereits vor Verzugseintritt entstanden.

Die Geschäftsgebühr entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags (Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV RVG). Hierzu gehören – so das AG Köln – unter anderem die anwaltliche Prüfung und Beratung sowie das Formulieren eines Anspruchsschreibens. Die anwaltliche Geschäftsgebühr werde dabei auch bei einem durch Algorithmus angefertigten Mahnschreiben – im Sinne einer Legal Tech-Anwendung – ausgelöst:

„Ob dies durch mündliche Besprechung mit dem Rechtsanwalt, der den Anspruch in seinem Kopf prüft, oder Nutzen eines vorher durch einen Rechtsanwalt programmierten und geprüften Algorithmus geschieht, ist aus Sicht des Gerichts nicht maßgeblich.“

So führe bereits das Eingeben der relevanten Daten durch die Mandanten auf der anwaltlichen Homepage und die dortige, algorithmenbasierte Berechnung und Generierung des Anspruchsschreibens dazu, dass eine anwaltliche Beratung erbracht wurde:

„Der Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung, das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen und die Höhe der Entschädigungsansprüche werden durchgeprüft, genau wie ein Rechtsanwalt dies getan hätte, wenn er ein persönliches Gespräch mit den Klägern geführt hätte“.

Hieran ändere nach Auffassung des AG Köln auch die Tatsache, dass die anwaltliche Leistung im Vorhinein beim Programmieren und Prüfen des Algorithmus erbracht worden sei, nichts, denn sie sei – wie aufgezeigt – erbracht und im vorliegenden Fall von den Klägern genutzt worden. Mithin sei die anwaltliche Geschäftsgebühr verdient. An dieser Stelle zog das Gericht noch einen treffenden Vergleich zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Verkehrsunfallsachen: Wenn eine Rechtsanwältin bzw. ein Rechtsanwalt Formulare erstellt, die die bzw. der Geschädigte ausfüllen kann und die Beraterin bzw. der Berater anhand dieser Angaben ein Anspruchsschreiben anfertigt, könne die Geschäftsgebühr ohne Weiteres erhoben werden. Ebenso wie in diesem „analogen“ Beispiel sei es möglich, die anwaltliche Geschäftsgebühr unter Einsatz von Legal Tech-Anwendungen zu erheben.

Fazit: (Teil-)Automatisierung von juristischen Tätigkeiten nimmt zu

Immer häufiger sind Legal Tech-Geschäftsmodelle als solche bzw. bestimmte Aspekte hiervon Gegenstand von Gerichtsentscheidungen. Die Frage der Erstattungsfähigkeit von automatisiert generierten Mahnschreiben wurde – soweit ersichtlich – bislang noch nicht entschieden. Unter diesem Gesichtspunkt hat auch das AG Köln die Berufung zur Fortbildung des Rechts zugelassen, allerdings wurde – soweit ersichtlich – keine Berufung eingelegt.

In der Sache überzeugt die Argumentation der Kölner Richter ebenfalls. Es kann keinen Unterschied machen, ob eine Kanzlei eine Anwendung programmiert bzw. programmieren lässt, mithilfe derer auf Basis der Eingaben der Mandantin bzw. des Mandanten Schreiben und Schriftsätze (teil-)automatisch generiert werden, oder ob die relevanten Informationen noch mittels händischer Formulare bzw. nur im persönlichen Gespräch erfasst werden. Zukünftig wird sich immer häufiger das erstgenannte Szenario vorfinden. Hierfür die geeigneten Mitarbeitenden zu finden, die neben juristischen Fähigkeiten auch ein technisches Grundverständnis mitbringen, wird zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor am Kanzleimarkt.

Weiterführender Literaturhinweis:

  • Mayer, AG Köln: Durch Legal Tech-Algorithmus generiertes Mahnschreiben löst Geschäftsgebühr aus, beck-aktuell v. 19.05.2020
Foto: ©phonlamaiphoto
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Dr. Christina-Maria Leeb ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Praxisgruppe IT, IP und Medienrecht, in München. Sie wurde als eine von 26 Frauen als „Woman of Legal Tech 2018“ ausgezeichnet. Ihre Dissertation mit dem Titel „Digitalisierung, Legal Technology und Innovation – Der maßgebliche Rechtsrahmen für und die Anforderungen an den Rechtsanwalt in der Informationstechnologiegesellschaft“ ist im Herbst 2019 im Verlag Duncker & Humblot erschienen.
www.christina-maria-leeb.de

Katherine Kitur studiert als Stipendiatin der Heinrich-Böll-Stiftung Rechtswissenschaft im 8. Fachsemester an der Universität Passau. Ihren Studienschwerpunkt hat sie auf das Informations- und Kommunikationsrecht gelegt. Daneben ist sie als Studentische Hilfskraft bei der HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft beschäftigt. 2019 wurde sie als Talent in das BayFiD-Programm (Bayerns Frauen in Digitalberufen) des Bayerischen Staatsministeriums für Digitales aufgenommen.
Katherine Kitur auf Linkedin

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