Liquid Legal Institute

Was bringt eine „Common Legal Plattform“? Im Interview mit den GründerInnen des Liquid Legal Institute

Von Liquid Legal Institute e. V.

Legal Tech umfasst nicht nur die Einführung von Technologie und Software in den Kanzleialltag, sondern bringt auch kollaborative und agile Arbeitsweisen mit sich. Diesen und weitere Aspekte will das Liquid Legal Institute (LLI) vorantreiben. Im Interview mit legal-tech.de verraten die Gründungsmitglieder des Vereins, welche Ziele sie genau verfolgen und wovon die LLI-Mitglieder besonders profitieren.

Wie ist das Liquid Legal Institute entstanden? Welches Kernziel verfolgt es?

Wir verstehen uns als globaler „Legal Think Tank“ für Meinungsführer. Unsere Basis ist eine internationale und interdisziplinäre Kollaborationsplattform, auf der wir Themen diskutieren und Ideen sowie deren Umsetzung in konkreten Projekten vorantreiben. All unsere Projekte sind Arbeitsgruppe zugeordnet (wir sprechen von „5+1“). Insgesamt haben wir sechs Arbeitsgruppen: Digitalisierung, Standardisierung, Methoden, Juristenausbildung, Materielles Recht, und die Common Legal Plattform, auf der die ersten fünf Arbeitsgruppen ausgerichtet sind.

Unser erstes Ziel: die Entwicklung eines gemeinsamen Standards im Kontext der digitalen Transformation im Recht – die Common Legal Plattform. Wir verfolgen grundsätzlich einen Open Source-Ansatz: Gemeinsam entwickelte Lösungen sollen all unseren Mitgliedern und darüber hinaus all denjenigen zugänglich sein, die sich der Transformation der Rechtsindustrie verschrieben haben.

Unser Ansatz: Wir wollen gemeinsam an den Herausforderungen arbeiten, die uns alle betreffen und eine Lösung bereitstellen, die allen hilft (Analogie: Open Source Software). Wir verstehen uns als ein neutraler Kollaborationsknotenpunkt, der weltweit zugänglich ist, weil wir rein virtuell arbeiten.

Wie ist das Liquid Legal Institute organisiert und wie viele Mitglieder gibt es?

Wir sind ein eingetragener Verein nach deutschem Recht. Aktuell haben wir ca. 240 Mitglieder/innen (Stand Oktober 2020). Mitglied können natürliche und juristische Personen werden (Unternehmen). Alle Mitglieder bekommen die gleichen Zugriffsrechte auf unsere interne Kollaborations-Plattform, die technisch über MS Teams läuft. Das Institut wird vertreten durch einen Vorstand und von einem Aufsichtsrat überwacht.

Wie kann man Mitglied werden?

Wer Interesse hat, kann einen Antrag auf der Homepage liquid-legal-institute.org stellen und dort (auf freiwilliger Basis) seine Motivation beschreiben. Der Vorstand entscheidet dann über die Aufnahme. Stimmt er zu, erhält der/die Bewerber/in einen Mitgliedschaftsvertrag. Wir unterscheiden zwischen individuellen und Firmenmitgliedschaften, letztere unterteilt sich in Großunternehmen und KMU’s mit jeweils unterschiedlichen Mitgliederbeiträgen.

Welche Vorteile bringt eine Mitgliedschaft?

Zugang zu einem weltweiten Netzwerk Gleichgesinnter, Sparring-Partner – aber auch PR, Presse, etc. Mitglieder werden Teil eines Netzwerks aus Innovatoren. Sie erhalten außerdem Zugang zu unserer neutralen Kollaborationsplattform (Kommunikation, Dokumentmanagement, Kollaboratives Arbeiten an Dokumenten durch Office 365, Azure DevOps Umgebung für agiles Arbeiten (Kanban Boards, etc.), MS Forms und PowerAutomate, etc.). Wir ermutigen zu einem agilen Arbeitsstil und arbeiten in unseren Gremien und Projekten nach der Agilen Methode. Eines der Kernprinzipien des LLI ist es, Wissen weltweit und interdisziplinär zu teilen.

Ist dieses Prinzip etwas Neues in der deutschen Rechtsberatungsbranche?

Auch wenn wir in den letzten Monaten verstärkt Initiativen sehen, ist das Thema Interdisziplinäre Kollaboration in der Branche immer noch unterrepräsentiert. Wir nehmen das als ein Problem wahr, weil wir die digitale Transformation und Innovation im Recht nur interdisziplinär voranbringen werden können. Genau das ist für das LLI eine große Chance: Was in anderen Industrien längst der Normalfall ist, entwickelt sich im Kontext Recht nur zögerlich. Wir können viel von anderen Bereichen lernen und unsere Mitglieder bringen vielfältige Erfahrungen aus verschiedensten Industrien mit. Für das Recht müssen alle jedoch erst lernen und definieren, wie Kollaboration auf Augenhöhe dauerhaft und nachhaltig gelingen kann.

Auf welcher Seite erzeugt das Liquid Legal Institute mehr Interesse? Auf die der IT-/Tech-Branche oder auf Seiten der Rechtsberatung?

Wir haben auch Informatiker, die konkrete LLI-Projekte pushen, z. B. technische Grundlagen einer Common Legal Plattform oder auch Legal Text Analytics. Grundsätzlich ist aber die Nachfrage von Beratung für Anwender/innen und Expert/innen aus rechtlichen Bereichen vielleicht etwas größer. Wichtig ist, zu betonen, dass das LLI lediglich die Plattform zum Austausch unter den Mitgliedern stellt, jedoch selbst keine Rechtsberatung erbringt!

Auf der Website steht, dass das Liquid Legal Institute sich an Rechtsanwält/innen, Rechtsabteilungen und Kanzleien richtet. Ist es nicht schwer, diese vielen unterschiedlichen Zielgruppen unter einen Hut zu bekommen?

Genau das ist ja die Herausforderung: alle an einen (virtuellen) Tisch zu locken – mit ihren Wünschen und Fragen! Unser „Köder“ ist die Expertise unserer Mitglieder, die wir aktivieren können. Und natürlich die Tatsache, dass wir schon einige erfolgreiche Projekte umgesetzt haben und somit einen echten Unterschied machen. Es gibt kaum Angebote, die so etwas ermöglichen und auch die Zusammenarbeit zwischen Rechtsabteilungen und Anwältinnen bzw. Anwälten funktioniert in unseren Projekten schon jetzt hervorragend. Im Grunde merken die Mitglieder, dass wir ja doch alle vor ähnlichen Herausforderungen stehen, egal aus welchem „Lager“ wir kommen – und genau das ist das verbindende Element.

Es stellt sich für unsere Themen nicht so sehr die Frage, woher jemand kommt, sondern welche Ideen sie oder er  beitragen möchte, um eine Schwachstelle im System zu verbessern. Stichwort unterschiedliche Wissensstände: Auch das ist ein Vorteil unser Organisation. Wir lernen gemeinsam miteinander und voneinander. Das ist für alle gut, um ein besseres Verständnis füreinander zu entwickeln und dringend nötig, damit die Angebote und Services künftig die Mandanten- und Kundenbedürfnisse besser befriedigen.

Was sind die häufigsten Fragen, die Mitglieder stellen bzw. wo liegen die häufigsten Probleme?

Die häufigsten Fragen kommen aus dem Bereich der Digitalisierung und wie Organisationen mit dem Thema umgehen. Daneben gibt es die Frage, wie sich Legal Tech aufbauen lässt und nachhaltig implementiert werden kann. Wir haben hierfür z. B. einen Digitalisierungs-Guide entwickelt, in dem wir kollektiv und mit verschiedenen Stakeholdern die Herausforderungen eines jeden Digitalisierungsprojektes untersucht und im Ergebnis einen Guide erarbeitet haben, den nun jede/r Interessierte/r herunterladen kann. Auch während des ersten Lockdowns haben wir gemeinsam und interdisziplinär daran gearbeitet, wie die Zukunft von „remote legal teams“ – also Teams, deren Mitglieder an unterschiedlichen Orten arbeiten – aussehen sollte. Wir alle waren ja von heute auf morgen mit der (fast) rein virtuellen Arbeitswelt konfrontiert.  Genau das war der Anlass, sich kollektiv mit dem Thema der virtuellen Zusammenarbeit auseinanderzusetzen. Auch hier gibt es eine Publikation, die sich nun jede und jeder auf unserer Homepage herunterladen kann.

Ich danke vielmals für das Gespräch!

Das Interview führte Bettina Taylor.

Weitere Infos zum Liquid Legal Institute:

Foto: Adobe.Stock/©Вадим Пастух
Weitere Beiträge

RA Kai Jakob ist zusammen mit Dierk Schindler Mitgründer des LLI. Er war als “Global Vice President Legal Technology & Innovation” bei SAP für das Vertragsmanagement verantwortlich. Heute ist er Partner bei Deloitte Legal.

Dr. Bernhard Waltl ist Mitgründer und Vorstandsmitglied des LLI. Seinen Doktortitel in Informatik hat er an der TU München absolviert. 2017 besuchte er die Stanford Law School (CodeX). Heute ist der IT-Spezialist bei der BMW Group.

Astrid Kohlmeier ist Mitgründern des LLI und Teil des Aufsichtsrates. Sie ist Expertin für Legal Design und berät Kanzleien, Rechtsabteilungen und Legal Tech Unternehmen, für die sie nutzerzentrierte Produkte und Services entwickelt. Daneben ist sie Mitglied der Executive Faculty am Bucerius Center on the legal profession und unterrichtet das Spezialgebiet Legal Design für Executives.

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