akte digital

Die Frage „In welcher Akte könnte das gewesen sein?“ ist Vergangenheit

Rechtsanwalt Stefan Loebisch im Interview zum Umstieg auf die digitale Akte

Von Stefan Loebisch

Knapp sechs Jahre nach seiner Zulassung als Rechtsanwalt stellte Stefan Loebisch von der Papierakte auf die digitale Akte um. Im Interview verrät er, welche Argumente für die volldigitale Kanzleiführung sprachen, welche Mittel er einsetzt, um Arbeitsabläufe zu optimieren – und warum die digitale Akte nicht nur zur Zeitersparnis führt, sondern auch sicherer ist.

Herr Loebisch, wann haben Sie damit begonnen, den Weg von der analogen zur digitalen Kanzlei zu beschreiten – und was war der Auslöser dafür?

Mit der Umstellung begann ich bereits im Frühsommer 2005: Nach dem Ausscheiden aus einer Bürogemeinschaft mit konservativ-konventionell organisiertem Sekretariat hatte ich in meiner neuen Einzelkanzlei schlicht nicht mehr die Zeit, Stunden mit der Pflege von Papierakten zu verbringen. Spaß an der Technik kam hinzu.

In welchen Bereichen haben Sie zuerst versucht, sich von der Papiernutzung zu verabschieden?

Neue Akten legte ich von einem auf den nächsten Tag nur noch digital an. Bei älteren Mandaten, bei denen mit einem raschen Mandatsabschluss nicht zu rechnen war, scannte ich die bestehenden Papierakten zum Teil ein. Andere Papierakten führte ich bis zum Mandatsabschluss weiter, speicherte aber die neue Eingangs- und Ausgangspost nur noch digital und heftete sie nicht mehr ab.

Welche Tools setzen Sie in Ihrer Kanzlei ein und welche Abläufe konnten dadurch optimiert werden?

Wichtig sind ein leistungsfähiger Dokumentenscanner mit einer Scansoftware, die eine Bildaufbereitung – Geraderücken schräg eingezogener oder bedruckter Blätter („deskewing“), automatisches Ausrichten auf dem Kopf stehender oder im Querformat bedruckter Seiten, Entfernen von Lochung oder Verschmutzungen etc. – ermöglicht und durchsuchbare PDF-Dateien produziert. Ein leistungsfähiger PDF-Editor ist dann das Standard-Tool bei der weiteren Bearbeitung – mit ihm werden die Dokumente mit farbigen Anmerkungen, Kommentaren, Lesezeichen, Stempeln und Links zu anderen Dokumenten oder Online-Fundstellen versehen. Digitale Spracherkennung versteht sich von selbst. Komplexe Fälle erschließe ich mir gerne mit einer digitalen Mindmap, von der aus unter anderem auf die relevanten Dokumente der Akte oder auf andere Fundstellen verlinkt wird.

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Mit welchen Herausforderungen wurden Sie im Zuge Ihrer Kanzleidigitalisierung konfrontiert?

Ich bin ein bücheraffiner Mensch und habe überhaupt recht spät den Zugang zum Computer gefunden. Am Computer zu schreiben, war mir geläufig, aber Akten nur noch am Bildschirm zu lesen und nicht mehr durchzublättern, auch Eingangspost nur durch den Scanner zu schicken und erst dann am Bildschirm zu lesen und zu bearbeiten, bedeutete für mich schon eine Umstellung. Es dauerte etwa ein halbes Jahr, bis ich mich wirklich daran gewöhnt hatte.

Welche positiven Auswirkungen hat die digitale Arbeitsweise (auch für die Mandantschaft)?

Insgesamt geht alles viel schneller. Der im Volltext durchsuchbare Aktenbestand ist zugleich Wissensreservoir: Der Begriff aus einem anderen Fall wird in das Suchfenster eingegeben und sofort steht die Auswahl der Akten und Dokumente, die sich mit demselben oder einem ähnlichen Sachverhalt beschäftigen, zur Verfügung. Die Frage „In welcher Akte und in welchem Schriftsatz könnte das gewesen sein?“ ist Vergangenheit. Ist eine Mandantin oder ein Mandant am Telefon, für die oder den gerade mehrere Verfahren geführt werden, kann spontan und ohne jeden Aufwand von einer Akte zur anderen gewechselt werden.

Schließlich mein Hauptargument für die volldigitale Kanzleiführung: Die digitale Akte ist sicherer. Beim Passauer „Jahrtausendhochwasser“ 2013 wurden meine damaligen Kanzleiräume vollständig zerstört. Dank digitaler Akten kam es trotzdem zu keinem einzigen Ausfalltag. Über mehrere Wochen hinweg diente mir ein Winkel von vielleicht 2,5 Quadratmetern in meinem Schlafzimmer als Notbüro – dort, wo sich seit Corona wieder mein Homeoffice befindet. Viele Einrichtungsgegenstände waren nach dem Hochwasser unrettbar verloren, aber die Akten waren intakt. Eine Papierakte ist ein empfindliches, platz- und volumenfressendes Einzelstück. Digitale Akten dagegen können im Grunde beliebig oft redundant gespeichert und gesichert werden, und das auf kleinstem Raum und zugleich auf mehrere Orte verteilt.

Herr Loebisch, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Antworten.

Stefan Loebischs Tool-Tipps für die Umstellung von analog zu digital:

 

  • Leistungsfähiger Einzugsscanner mit Dokumentenscan-Software
  • PDF-Editor: PDF-XChange Editor Plus (Tracker Software Products)
  • Digitale Spracherkennung
  • Digitale Mindmaps, z. B. erstellt mit Freeplane
  • Kanzleisoftware: a-jur (Carlos Claussen Consulting)
  • Dateiverwaltung: Directory Opus 12 (GP Software)
  • Wissensmanagement und Textbausteine: MemoMaster mit „Textbausteinverwaltung Deluxe“ (JBSoftware)
  • Literaturverwaltung/elektronische Bibliothek: Citavi (Swiss Academic Software)
  • Zettelkasten für unterwegs: Joplin
Bild: Adobe Stock/©faithie
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Rechtsanwalt Stefan Loebisch wurde im Herbst 1999 zur Anwaltschaft zugelassen. Seit dem Jahr 2000 hat er seinen Schwerpunkt auf dem Gebiet des Internet-, Urheber- und Wettbewerbsrechts. Auch das Datenschutzrecht spielt mittlerweile eine tragende Rolle. Strafverteidigungen – meist ebenfalls mit Bezug zum Internet – und Wehrrecht runden das Spektrum ab.
Die Kanzlei ist unter www.loebisch.com zu erreichen.

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