Homeoffice

Technische Umstellung auf das Homeoffice: Das sollten Anwaltskanzleien beachten

Von Holger Esseling

Die rasante Ausbreitung des Virus COVID-19 sowie das aktuell geltende Kontaktverbot stellen Kanzleien und Unternehmen vor völlig neue Herausforderungen. Insbesondere das dezentrale Arbeiten aus dem Homeoffice sowie die rein virtuelle Zusammenarbeit mit Mandanten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Partnern sind für viele Kanzleien Neuland. Dabei ist die aktuelle Krise eine gute Möglichkeit, um herauszufinden, wie weit die Digitalisierung in Ihrer Kanzlei bereits fortgeschritten ist. Vollständig digitalisierte Kanzleien können sich ohne großen Aufwand innerhalb weniger Stunden auf das Arbeiten im Homeoffice umstellen. In diesem Kapitel zeigen wir die wichtigsten Maßnahmen und Werkzeuge für die technische Umstellung und Auslagerung der Kanzleiarbeit.  

Checkliste: Bereit fürs Homeoffice?

  • Datei- und Anwendungszugriff: Sind Sie in der Lage, aus dem Homeoffice heraus auf Ihre Kanzleisoftware, Ihr Diktiersystem, Ihre Office-Programme und alle weiteren benötigten Anwendungen zuzugreifen? Können Sie Ihre zentral gespeicherten Akten und Dokumente einsehen und bearbeiten? In der Regel sind diese Funktionen gegeben, wenn Sie sich aus dem Homeoffice über ein Virtual Private Network (VPN) auf den Arbeitsplatz oder den Server in der Kanzlei schalten.
  • Empfang und Versand von Schriftsätzen: Können Sie eingehende Schriftsätze auf allen Kanälen (beA, E-Brief, E-Mail, Post, Fax) auch zu Hause einsehen? Sind Sie zudem in der Lage, Dokumente aus dem Homeoffice heraus über diese Kanäle zu versenden? Neben der technischen Umsetzung von beA-Anbindung und Fax2Mail-Lösungen ist hierfür auch ein Posteingangsprozess notwendig, bei dem die Posteingänge regelmäßig eingescannt und den Akten zugeordnet werden.
  • Mandantenkommunikation: Ist Ihre telefonische Erreichbarkeit gewährleistet und können Sie Mandanten komfortable Alternativen zum Präsenztermin anbieten? Eine Homeoffice kompatible Telefonanlage, ein Telefonkonferenzsystem und ein Webmeeting-Raum gehören hierbei zur Standardausstattung.
  • Interne Kommunikation: Haben Sie die technischen und organisatorischen Vorbereitungen getroffen, um sich regelmäßig im Team abzustimmen? Partnersitzungen per Webmeeting, morgendliche Telefonkonferenzen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie die laufende Erreichbarkeit per Chat und Telefon sind dabei wesentliche Elemente.
  • Sicherer Dateiaustausch: Ist es Ihnen möglich, gemeinsam mit Mandanten, Mitarbeitern und Partnern an Dokumenten zu arbeiten, die auf einem verschlüsselten Weg bereitgestellt werden? Der Versand per E-Mail kann hier als unsichere Notlösung fungieren, eine zentrale Plattform zum Dateiaustausch ist hier ideal.
  • IT-Sicherheit: Das Homeoffice bringt neue Sicherheitsrisiken mit sich. Haben Sie die wesentlichen Vorkehrungen getroffen, insbesondere Virenschutz, Datensicherung, Firewall und geeignete Maßnahmen der Datei- und E-Mail-Verschlüsselung?

Haben Sie alle Fragen ohne zu zögern und ohne Einschränkungen mit „ja“ beantwortet? Herzlichen Glückwunsch! Dann können Sie sich jetzt wieder an die komfortable Arbeit im Homeoffice machen. Sollten Sie noch an der einen oder anderen Stelle Optimierungspotential sehen, dann stellen wir Ihnen gerne die wesentlichen Werkzeuge und Maßnahmen vor:

  • Terminalserver/Rechenzentrum: Der komfortabelste Weg zur mobilen Arbeit, auch aus dem Homeoffice heraus, führt über den Aufbau eines Terminalservers. Ob dieser in der Kanzlei betrieben wird oder in einem berufsrechtlich adäquaten Rechenzentrum steht, ist lediglich eine Frage der Sicherheit. Das Funktionsprinzip bleibt gleich: Die gesamte Kanzlei-IT inklusive Server und Arbeitsplätzen wird zentralisiert auf einem Gerät zur Verfügung gestellt. Von außen erfolgt ein verschlüsselter und vollumfänglicher Zugriff auf alle Daten und Anwendungen. Das Endgerät (PC, Notebook, Tablet) fungiert dabei gewissermaßen als Fernbedienung: Es werden Tastatureingaben gesendet und Bildschirminhalte empfangen. Auch Diktiergeräte, Scanner und Drucker lassen sich auf diese Weise durchschleifen. Die Umstellung auf einen Terminalserver erfordert in der Regel jedoch einen Wechsel der gesamten IT-Infrastruktur und ist mit einem entsprechend hohen Aufwand verbunden.
  • Virtual Private Network (VPN)[1]: Der Zugriff auf die Kanzlei-IT aus dem Homeoffice heraus ist grundsätzlich auch ohne Terminalserver möglich. So können Sie per VPN aus der Ferne auf Ihren Arbeitsplatzrechner in der Kanzlei zugreifen. Diese Konstellation ist nicht als Dauerlösung gedacht, da der Kanzlei-PC dauerhaft eingeschaltet sein muss und hierfür nicht ausgelegt ist. Als Übergangslösung kann der Aufbau eines VPN-Tunnels von Client zu Client jedoch eine gute Wahl sein. Folgende Möglichkeiten stehen Ihnen zur Verfügung:
    • Die einfachste Lösung: Teamviewer. Wenn Sie als technischer Laie einen unkomplizierten Zugriff auf Ihre Kanzlei-IT aus der Ferne einrichten möchten, dann bietet Teamviewer eine direkt umsetzbare Lösung. Installieren Sie einfach auf beiden zu verbindenden Rechnern die Software (teamviewer.com), geben Sie auf dem zugreifenden Rechner die ID und das Kennwort ein und schon können Sie Ihren Kanzlei-PC fernsteuern, wenn auch mit einigen Einschränkungen. Achten Sie darauf, dass der Rechner in der Kanzlei dauerhaft eingeschaltet ist und auch die Bildschirmsperre deaktiviert ist, sonst sehen Sie zu Hause nur einen schwarzen Bildschirm. Der Zugriff per Teamviewer sollte eher als kurzfristige Notlösung betrachtet werden, auch wenn wir Kanzleien kennen, die regelmäßig über diesen Weg arbeiten.
    • Integrierte VPN-Lösung Windows 10 oder einfacher Router: Grundsätzlich können Sie bereits mit den Bordmitteln Ihres Betriebssystems einen VPN-Server und einen VPN-Client aufbauen und eine Verbindung herstellen. MICROSOFT verwendet hierfür das Point-to-Point-Tunneling-Protokoll (PPTP), das jedoch auf den gängigsten einfachen Routern nicht unterstützt wird. Dafür bringt fast jedes Gerät eigene Lösungen mit, die teilweise eigenständig umgesetzt werden können, teilweise Unterstützung des IT-Dienstleisters erfordern. Beginnen Sie, je nach technischer Affinität, mit der Einrichtung eines VPN-Tunnels auf Ihrem Router oder Ihrer Firewall. Die Schritt-für-Schritt-Anleitungen der Hersteller sind recht ausführlich und verständlich, können an dieser Stelle jedoch nicht umfänglich abgebildet werden.[2]
    • Professionelles Netzwerkgerät: Verantwortlich für die Herstellung einer VPN-Verbindung ist in aller Regel ein Router oder eine Firewall. Und bei dessen Administration enden häufig Lust und IT-Kompetenzen eines Berufsträgers. Daher sollte die Einrichtung auf einem professionellen Netzwerkgerät dem Administrator oder Dienstleister überlassen werden, zumal hierbei auch einige sicherheitsrelevante Einstellung bedacht werden sollten.
  • Homeoffice kompatible Telefonanlage: Ein besonders wichtiger Kommunikationskanal, auch und gerade in Zeiten eingeschränkter Mobilität, ist das Telefon. Um aus dem Homeoffice heraus vollumfänglich arbeiten zu können, sollte Ihre Telefonanlage über folgende Funktionen verfügen:
    • Rufnummernweiterleitung: Nicht nur bei eingehenden Anrufen möchten Sie sehen, wer Sie am anderen Ende der Leitung erwartet. Auch Sie können von unterwegs oder aus dem Homeoffice heraus mit Ihrer Büronummer telefonieren.
    • Workflow-Manager: Sie sollten in einer verständlichen grafischen Oberfläche selbst und flexibel gestalten können, welche Anrufe wohin weitergeleitet werden, welche Regeln gelten und welche Warteschlangen und Anrufbeantworter angesteuert werden.
    • Smartphone-App: Ihre Telefonanlage sollte Ihnen ermöglichen, vom Smartphone aus wesentliche Funktionen zu steuern, Anrufe und Kontakte zu verwalten und wie in der Kanzlei zu kommunizieren.
    • Anwesenheitsstatus: Die dezentrale Zusammenarbeit wird erheblich erleichtert, wenn Sie jederzeit sehen, wer anwesend, abwesend, im Gespräch, krank oder gerade nicht erreichbar ist.
    • Chatfunktion: Auch die schnelle Kommunikation per Chat ist bei vielen Telefonanlagen möglich.
    • Einfache Einwahl von einem anderen Ort aus: Im einfachsten Fall nehmen Sie Ihr Telefon vom Arbeitsplatz mit nach Hause, verbinden es mit Ihrem Netzwerk und sind genauso verbunden und arbeitsfähig, wie Sie es in der Kanzlei sind.
  • Mail2Fax und Fax2Mail: Ihre Faxe sollten direkt digital per E-Mail eingehen und versendet werden, damit Sie den vollen Zugriff auch von zu Hause aus haben.
  • Telefonkonferenzen: Sie bieten eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit, sich mit mehreren Teilnehmerinnen und Teilnehmern telefonisch abzustimmen. Wichtig ist hierbei eine feste Rufnummer, die sich nicht ändert und allen Beteiligten bekannt ist, um mindestens für die Zeit der eingeschränkten Mobilität besser mit KollegenInnen und Mandanten kommunizieren zu können. Es gibt kostenlose Möglichkeiten, die jedoch in der Regel entweder Werbung beinhalten oder regelmäßig die Rufnummer wechseln oder von heute auf morgen gar nicht mehr zur Verfügung stehen. Ihr Telefondienstleister wird Ihnen für wenige Euro im Monat eine professionelle Lösung anbieten können.
  • Webmeeting: In Zeiten eingeschränkter Mobilität und persönlicher Kontakte ist es umso wichtiger, den Kontakt zu Mandanten, Partnern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufrecht zu erhalten. Gerade wenn man sich dabei auch ins Gesicht sehen oder Dokumente gemeinsam betrachten und bearbeiten möchte, ist ein Webmeeting das Mittel der Wahl. Die eingesetzte Lösung sollte dabei natürlich höchsten Sicherheitsstandards genügen und verschlüsselte Kommunikation erlauben. Auch hier stellt sich wieder die Frage: Kostenlos starten oder gleich eine professionelle Lösung wählen? Gratis-Einstiegsangebote beschränken zumeist die Zeit der durchgeführten Webmeetings. Zudem ist die Vertraulichkeit der Kommunikation häufig nicht sichergestellt. Für den schnellen Austausch über berufsrechtlich irrelevante Themen sind sie jedoch gut nutzbar.
  • Chat/Messenger: In der Praxis hat es sich bewährt, mindestens für die interne Kommunikation Messenger-Dienste zu nutzen. So können sich die Teammitglieder untereinander auf dem Laufenden halten und schnell erreichen. Es soll an dieser Stelle keine Produktwerbung gemacht werden, daher die grundsätzliche Aussage: Alle etablierten Lösungen am Markt eignen sich zur Teamkommunikation, die Bewertung der Vertraulichkeit und Datensicherheit obliegt dann Ihnen.
  • Dateiaustauschplattform: Um gemeinsam an Dokumenten zu arbeiten, müssen diese von jedem Kommunikationspartner eingesehen werden können. Der Versand per E-Mail ist dabei ein unsicherer Weg. Besser eignet sich die Verteilung über eine verschlüsselte Plattform zum Dateiaustausch.
  • Digitaler Dokumentenworkflow: Nicht nur zur Krisenbewältigung, auch zur Digitalisierung Ihrer Kanzlei sollte die Dokumentenbearbeitung und Schriftsatzerstellung soweit wie möglich digital erfolgen. Hier muss in erster Linie die Kanzleisoftware zeigen, was sie kann: Wie können Posteingänge der verschiedenen Quellen importiert werden? Welche Möglichkeiten der Bearbeitung gibt es, welche Schnittstellen zum Versand? Besprechen Sie diese Themen mit Ihrem Softwareanbieter oder beachten Sie sie bei einem Wechsel der Anwendung.
  • IT-Sicherheit: Im Homeoffice? Aber sicher! Die vermehrte Heimarbeit zieht offenbar Cyber-Kriminelle magisch an: Millionen von Menschen arbeiten plötzlich an kaum geschützten Computern und öffnen damit neue und zusätzliche Sicherheitslücken. Beachten Sie daher ein paar Tipps:
    • Verschlüsselung: Lassen Sie nur verschlüsselte Verbindungen in Ihre Kanzlei zu. Der Standardweg ist der der Aufbau eines VPN (Virtual Private Network).
    • E-Mail-Verkehr: Aktuell nehmen die Angriffe per E-Mail wieder deutlich zu. In der Regel verbirgt sich hinter einer seriös erscheinenden Bewerbung oder Rechnung eine Anwendung, die als Vorstufe eines Crypto-Trojaners agiert. Sie lädt im Anschluss selbstständig weitere Daten aus dem Internet, verschlüsselt dann Ihre gesamte Kanzlei-IT und erpresst Sie zur Zahlung von Lösegeld. Nutzen Sie daher E-Mail-Sicherheitsprogramme und sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
    • Datensicherung: Was auch immer geschieht, eine Datensicherung ist die Lebensversicherung einer Kanzlei gegen jede Art von Datenverlust. Hier dürfen einfach keine Kompromisse gemacht werden. Dazu gehören regelmäßige Datenrekonstruktionen, um zu wissen, ob Sie Ihre Daten überhaupt wiederherstellen können und wie lange das dauert.
    • Firewall: Wer genau hat welchen Zugriff auf Ihre Kanzlei-IT? Ohne eine professionell gemanagte Firewall können Sie das kaum steuern. Spätestens in Zeiten zunehmender Verbindungen von außen wird diese Sicherheitseinrichtung zur Pflicht.
    • Welche Geräte nutzen Ihre Mitarbeiter und Sie selbst im Homeoffice? Stellen Sie sicher, dass die PCs und Notebooks über einen hinreichenden Virenschutz verfügen und dass alle Sicherheitsupdates durchgeführt werden. Räumen Sie den Nutzern nur so viele Rechte ein, wie sie auf dem Server unbedingt benötigen. Schadsoftware kann nur die Rechte nutzen, die auch eingeräumt wurden.

Wir hoffen, dass diese Informationen zur Kanzleiarbeit aus dem Homeoffice heraus Sie dabei unterstützen, Ihren Geschäftsbetrieb weiterhin aufrechtzuerhalten. In allererster Linie jedoch wünschen wir Ihnen und Ihren Familien Gesundheit und Zuversicht in diesen besonderen Zeiten.

[1] Die Einrichtung eines VPN ist sicherheitsrelevant und nicht trivial. Es wird daher an dieser Stelle dringend empfohlen, hier einen IT-Fachmann zu Rate zu ziehen.
[2] Ein Beispiel des Herstellers Fritzbox finden Sie hier: https://avm.de/service/vpn/praxis-tipps/vpn-verbindung-zur-fritzbox-unter-windows-einrichten-fritzfernzugang/ . Die Einrichtung durch einen IT-Fachmann ist allerdings aus Gründen der IT-Sicherheit ratsam.
Foto: Adobe.Stock/©wutzkoh
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Dipl.-Kfm. Holger Esseling ist Geschäftsführer der Michgehl & Partner GmbH, einem IT-Dienstleister mit über 30 Jahren Erfahrung in seiner einzigen Zielgruppe: Anwaltskanzleien. Als Berater für Kanzlei-Strategie, Digitalisierung und IT-Sicherheit kennt er sich nicht nur bestens im relevanten Berufs- und Strafrecht aus, vor allem verfügt er über einen reichen Erfahrungsschatz an IT-Pannen und Best-Practices.

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