IT-Voraussetzungen für die papierlose Arbeit

Teil 2: Mobile Arbeit und Automatisierung

Von Holger Esseling

Im ersten Teil unser Artikelserie zur papierlosen Kanzlei ging es um das Fundament der papierlosen Arbeit, die IT-Infrastruktur und Kanzleisoftware. Mit diesem Beitrag setzt Holger Esseling die Serie fort und beleuchtet die weiteren Evolutionsstufen der digitalen Kanzleiarbeit.

Die drei Stufen der papierlosen Kanzleiarbeit im Überblick

Stufe I: Die Kanzlei-IT soll einfach laufen

Abläufe werden so wenig wie möglich verändert, die Papierakte bleibt das führende Werkzeug, es wird lokal in den Kanzleiräumlichkeiten gearbeitet.

Stufe II: Ich möchte mobil und digital arbeiten

Elektronische Akte wird führendes Werkzeug, es wird mobil und aus dem Homeoffice gearbeitet.

Stufe III: Ich möchte Tätigkeiten automatisieren oder auslagern.

Alle Informationen liegen elektronisch vor, Prozesse wie die Mandatsannahme können automatisiert werden.

Stufe II: Ich möchte mobil und digital arbeiten

Spätestens seit der Corona-Pandemie gehen viele Kanzleien über die Grundanforderungen der Stufe I hinaus. Sie möchten den entscheidenden Schritt zur führenden elektronischen Akte machen, um mobil und aus dem Homeoffice heraus zu arbeiten. Hierfür sind einige weitere IT-Voraussetzungen zu schaffen.

Remote Desktop Infrastruktur oder SaaS

Für die mobile Arbeit ist ein Fernzugriff auf den Server notwendig. Die Einbindung von Fileservern oder NAS-Stationen über einen VPN-Client ist dabei eine Notlösung. Komfortables Arbeiten wird durch Terminalserver ermöglicht, die für jede anwendende Person einen vollständigen Arbeitsplatz auf dem Server bereitstellen. Ob diese Systeme in der Kanzlei oder in einem Anwaltsrechenzentrum betrieben werden, ist wieder eine Frage der eigenen Zielsetzungen. Wer möglichst wenig mit der IT zu tun haben möchte, lagert die Betriebsverantwortung aus.

Einen Sonderfall stellt hierbei die Nutzung von Software as a Service (SaaS) dar: Die Kanzleisoftware wird direkt aus dem Browser heraus bedient, alle Daten liegen auf dem Server der Dienstanbieter. Noch bieten viele SaaS-Dienste jedoch einen vergleichsweise geringen Funktionsumfang. Das Angebot wird sich sicherlich in den nächsten Jahren vergrößern. Manche Fachleute sind jedoch der Ansicht, dass der überwiegende Teil der Datenverarbeitung noch viele Jahre vor Ort in den Kanzleien verbleiben wird.

Elektronischer Dokumentenworkflow

Ein wesentlicher Baustein für die papierlose Kanzleiarbeit ist die Gestaltung der elektronischen Akte in der Kanzleisoftware. Sie sollte nicht nur Dokumente anzeigen, sondern einen elektronischen Dokumentenworkflow bieten. So kann der bisherige analoge Kanzleiablauf digital abgebildet werden: Dokumente kommen im Posteingang an, werden verschlagwortet, Fristen werden notiert und die Dokumente werden an die entsprechende Sachbearbeiterin bzw. den Sachbearbeiter weitergeleitet. Dann können Notizen hinzugefügt, Verfügungen erstellt und diktiert werden. Im Anschluss kann das Dokument zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet werden. Nach Erstellung entsprechender Schriftsätze landen die ausgehenden Dokumente im Postausgang und können nahtlos über verschiedene Kommunikationswege versendet werden. Der elektronische Workflow sollte viele Individualisierungsmöglichkeiten bieten und sorgfältig vorbereitet werden. Hierzu sind in der Regel umfangreiche Schulungen und Workshops sinnvoll und notwendig.

Mobile Apps zur Kanzleiarbeit

Das Smartphone ist längst zum zentralen Informations- und Kommunikationselement des privaten Lebens geworden. Im Zuge der Kanzlei-Digitalisierung liegt es nahe, auch dieses Werkzeug einzusetzen. Die gängigsten Apps für den Kanzleialltag betreffen zunächst E-Mails und Kalender. Diese Informationen sollten mit den Standarddiensten synchronisiert werden oder über spezielle Apps der Kanzleisoftwarehersteller eingebunden werden. Darüber hinaus nutzen manche Berufsträgerinnen und Berufsträger Smartphone-Apps für das digitale Diktat – andere sehen hierin eine Gefahr für die Verschwiegenheitspflicht.

Der Vollzugriff auf Akten und Dokumente ist in der Regel auf dem Smartphone nicht wichtig, umso mehr jedoch auf einem Tablet. Die meisten Anbieter von Kanzleisoftware bieten entsprechende Apps zum Lesen oder digitalen Bearbeiten von Mandatsinformationen. Sinnvoll sind darüber hinaus Apps, die jederzeit Zugriff auf wichtige Informationen geben, zum Beispiel Prozesskostenrechner, um gleich bei Gericht die Kosten einer Entscheidung beziffern zu können, oder Apps mit Gesetzen und Kommentaren.

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„Die papierlose Kanzlei“

Stufe III: Ich möchte Tätigkeiten automatisieren oder auslagern

Immer mehr Kanzleien erkennen, dass die reine Digitalisierung von Dokumenten noch keinen großen Nutzen bringt. Wenn jedoch alle Informationen elektronisch vorliegen, lässt sich auf dieser Basis etwas Neues schaffen: Die Automatisierung von Kanzleiabläufen. Hinzu kommen weitere Möglichkeiten der Kommunikation zu Mandaten und Mandantinnen und mit weiteren Beteiligten.

Automatisierung von Kanzleiabläufen

Viele Arbeitsschritte in Anwaltskanzleien eignen sich sehr gut für die Automatisierung. Insbesondere wenn es sich um repetitive Tätigkeiten handelt, werden sie in den nächsten Jahren zunehmend an Maschinen delegiert. Auf der einen Seite bieten die Hersteller von Kanzleisoftware selber zunehmend Lösungen an, beispielsweise für die automatische Aktenanlage auf Basis eines Webformulars. Auf der anderen Seite kommen immer mehr Anwendungen zur Robotic Process Automation (RPA) auf den Markt. Mithilfe dieser Lösungen kann softwareunabhängig Benutzerverhalten nachgebildet werden. Insbesondere bei der Erstellung von Schriftstücken, Verträgen und Berechnungen, aber auch bei der Anlage von Akten und Adressen und weiteren Tätigkeiten gibt es ein großes Potenzial für Einsparungen.

Digitale Kommunikation

Die Corona-Pandemie hat die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren, deutlich verändert. Videokonferenzen sind heute selbstverständlich und werden auch von Anwaltskanzleien zunehmend für neue Geschäftsmodelle oder einfach nur zur effizienteren Mandatsbearbeitung genutzt. Dabei kommen neue Lösungen auf den Markt, die beispielsweise Bezahlfunktionen integrieren, sodass Beratungsgespräche gleich zu Beginn entgolten werden können.

Auch die schriftliche Kommunikation mit verschiedenen Ansprechpartnern verändert sich zunehmend. Anfragen an Versicherer werden beispielsweise immer häufiger über Schnittstellen direkt aus der Kanzleisoftware gestellt – was wiederum die Automatisierung dieses Prozesses ermöglicht. Mit Gerichten und Mandanten und Mandantinnen wird ebenfalls direkt aus der Kanzleisoftware heraus über beA kommuniziert. Die Mandantenkommunikation erfolgt zunehmend über E-Mail, was jedoch umso effektiver wird, je besser das Mailsystem in die Kanzleisoftware eingebunden ist. So können Dokumente direkt aus der Software heraus angehängt werden und die E-Mails werden direkt in der zugehörigen E-Akte gespeichert.

Fazit: Stufenweise zu mehr Digitalisierung und Papierlosigkeit

Die Digitalisierung einer Anwaltskanzlei stellt einige Herausforderungen an die Hard- und Software sowie die Kanzleiabläufe. Sie bietet allerdings auch neue Möglichkeiten der Vereinfachung und Automatisierung von Prozessen. Auf jeder Stufe der Kanzleidigitalisierung ist ein erfolgreicher Kanzleibetrieb möglich. Die Grundlage bilden eine zuverlässige IT-Infrastruktur und eine professionelle Kanzleisoftware. Auf dieser Basis lassen sich modulweise neue Funktionen hinzufügen, um mobiler, effizienter und papierloser zu arbeiten.

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Bild: Adobe Stock/©Golden Sikorka
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Dipl.-Kfm. Holger Esseling ist Geschäftsführer der Michgehl & Partner GmbH, einem IT-Dienstleister mit über 30 Jahren Erfahrung in seiner einzigen Zielgruppe: Anwaltskanzleien. Als Berater für Kanzlei-Strategie, Digitalisierung und IT-Sicherheit kennt er sich nicht nur bestens im relevanten Berufs- und Strafrecht aus, vor allem verfügt er über einen reichen Erfahrungsschatz an IT-Pannen und Best-Practices.

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