Digitalisierung Kanzleien

Papierlos durch erfolgreiche Digitalisierung – so gelingt die Umstellung in Kanzleien

Von Ronja Tietje

Die Digitalisierung schreitet branchenübergreifend immer weiter voran. Das ist auch in Anwaltskanzleien spürbar und nicht mehr zu stoppen – und das ist auch gut so. Denn in Zeiten, in denen der Fachkräftemangel sich immer deutlicher bemerkbar macht und sich in den nächsten Jahren eher noch verschärfen wird, sind Kanzleien gut beraten, sich die Digitalisierung zunutze zu machen – auch um Zeit und Nerven zu sparen. Zwei gute Argumente, um sich dem Thema Digitalisierung zu widmen.

Doch wie gehen Kanzleien das Thema Digitalisierung strukturiert an, damit am Ende Freude statt Frust herrscht und die Umsetzung der neuen, papierlosen Workflows dauerhaft erfolgreich gelebt wird?

Bestandsaufnahme und Bildung von Projektteams

Zu Beginn gilt es, eine Bestandsaufnahme aller in der Kanzlei laufenden Prozesse vorzunehmen, um zu prüfen, welche Abläufe sich für die Digitalisierung eignen und angepasst werden sollten. Scheuklappen im Denkprozess gilt es zu vermeiden und Hinweise, wie: „Das haben wir schon immer so gemacht“ sollten gerade dazu führen, diese Prozesse genauer anzuschauen. Gerade hier handelt es sich häufig um Prozessabläufe, die noch aus der analogen Welt kommen und daher dringend auf die Möglichkeit einer Digitalisierung überprüft werden sollten. Bei der Bestandsaufnahme ist es ratsam, den Blickwinkel aus allen Hierarchieebenen einzuholen, d. h. das gesamte Kanzleiteam einzubeziehen.

Bei größeren Kanzleien bietet sich die Bildung eines Projektteams an, um möglichst effizient zu einer Lösung zu kommen. So könnte das Projektteam aus einem Mitglied aus der Kanzleiführungsebene, einem Mitglied aus der juristischen Mitarbeiterebene (angestellter Rechtsanwalt), einem Mitglied aus der mittleren Führungsebene (z. B. Kanzleimanagerin, Rechtsfachwirtin), einem Mitglied aus der Mitarbeiterebene und – ganz wichtig und nicht zu vergessen – einem Mitglied aus dem Auszubildendenbereich bestehen. Gerade die derzeit in den beruflichen Startlöchern stehende Generation ist schon zum sehr großen Teil mit der Digitalisierung groß geworden. Genau diese Kompetenz sowie den ungetrübten Blick auf die Kanzleiabläufe sollte sich die Kanzlei zunutze machen und deshalb Auszubildende sowie Referendare und Referendarinnen am Projekt beteiligen.

Drei Prozesse, die sich für eine Digitalisierung anbieten

Doch um welche Prozesse könnte es sich konkret handeln? Hier einmal drei Beispiele:

1. Erreichbarkeit am Telefon: Fehlende Erreichbarkeit und kein gutes Rückrufverhalten sind häufige Beschwerden, die die Mandanten und Mandantinnen dem Kanzleiteam zurückmelden. Mit dem Einsatz einer guten Telefonsoftware, die sich bestenfalls noch mit der im Einsatz befindlichen Kanzleisoftware verknüpfen lässt, lassen sich viele Beschwerden vermeiden. So kann mit Hilfe der Telefonsoftware ausgewertet werden, zu welchen Zeiten die Kanzlei besonders gefragt ist. Sind Stoßzeiten zu erkennen, kann die Kanzlei reagieren, indem sie z. B. in diesem Zeitfenster eine zusätzliche Personalressource für den Telefonbereich einplant und somit weniger Anrufe ins Leere laufen.

Daneben kann mit Hilfe der Telefonsoftware ausgewertet werden, welche Anrufe die Kanzlei nicht erreicht haben und durch aktive Rückrufe der Anrufer können diese doch noch ihr Anliegen vortragen. Dies wirkt professionell und hebt die dienstleistungsorientierte Außendarstellung der Kanzlei hervor. Ist die Telefonsoftware mit der Kanzleisoftware verknüpft und sind die Adressdatensätze gut gepflegt, wird bei einem eingehenden Anruf mit Rufnummernübertragung direkt angezeigt, wer der Anrufer ist und an welchen Akten er beteiligt ist. So kann die Mitarbeiterin viel gezielter auf den Anrufer eingehen und in kürzerer Zeit den Anrufer an das gewünschte Kanzleimitglied durchstellen und/oder eine Telefonnotiz zur entsprechenden Akte aufnehmen.

2. Elektronische Akte: Eine vollständige elektronische Akte spart längerfristig Zeit, auch wenn die Umstellung sicher zunächst einmal Zeit kostet, da die Prozesse mit Blick auf einzuscannende Papierdokumente und die Aktenstruktur erst einmal festgelegt und umgesetzt werden müssen. Ist die vollständig elektronische Akte im Einsatz, ermöglicht sie ein effizientes Arbeiten auf allen Ebenen. Es besteht kein Aktensuchproblem mehr, alle Informationen sind direkt aus der elektronischen Akte ersichtlich. Schluss also mit dem Hinweis an den Mandanten oder die Mandantin: „Einen kleinen Augenblick, ich muss mir erst einmal die Akte heraussuchen“ um dann ggf. zu sagen „Entschuldigung, ich finde die Akte gerade nicht und werde Sie zurückrufen, sobald ich die Akte vorliegen haben“. Jedes Kanzleimitglied kann direkt und vollumfänglich auf die Inhalte der Akte zugreifen und innerhalb seines Kompetenzbereiches Auskunft erteilen.

Der Einsatz der elektronischen Akte im Homeoffice ist ein weiterer Vorteil. Die Mitnahme von Akten ins Homeoffice oder zu Gericht entfällt und damit verringert sich auch das Risiko einer Verletzung der Vorschriften nach der DSGVO und den berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten. Der Vorteil liegt auf der Hand: Mit dem Einsatz der vollständigen elektronischen Akte ist für jedes Kanzleimitglied zu jeder Zeit ein Zugriff auf die Akte möglich, egal ob im Homeoffice, in den Kanzleiräumen oder im Gerichts- bzw. Auswärtstermin.

3. Digitales Diktat/Spracherkennung: Auch hier kann man sich die Digitalisierung zunutze machen, um Zeit zu sparen. So sollte vom Diktierenden für jeden Vorgang eine eigene Datei erstellt werden und mit Aktenzeichen, Priorität und ggf. namentlich genanntem spezialisierten Sachbearbeiter bzw. Sachbearbeiterin versehen werden. Damit ist eine flexible Abarbeitung der Diktate/der Sprachdateien möglich, da die einzelnen Dateien unter Berücksichtigung der Priorisierung auf verschiedene Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen verteilt werden können und nicht eine große Diktatdatei bei einem Sachbearbeiter verbleiben muss. Insbesondere bei Krankheits- und Urlaubsvertretung ist damit eine größtmögliche Flexibilität gewährleistet.

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in die Prozesse einbeziehen

Die Digitalisierung von Prozessabläufen wirkt sich am stärksten auf die Arbeit von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus und daneben auch oft auf die Schnittstelle juristischer Arbeitsplatz/Mitarbeiterarbeitsplatz. Es ist also zwingend erforderlich, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in die Änderungsprozesse einzubeziehen und diesen eine eigene und ernstgenommene Stimme bei der Neugestaltung und Umsetzung der Prozesse zu geben.

Hier gilt es auch die Vorteile für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herauszuarbeiten und deutlich zu machen: So spart der Einsatz der digitalen Akte durch das nicht mehr vorhandene Aktensuchproblem oder bei der Arbeit im Homeoffice täglich Zeit, die oftmals sowieso nicht ausreicht, um den täglichen Aufgaben gerecht zu werden. Im Team könnte der Bereich Telefonmanagement der Kanzlei auf den Prüfstand gestellt und hier z. B. stille Stunden für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen festgelegt werden. Das sind feste Zeiten, in denen planbar ungestört fachliche Aufgaben erledigt werden können, ohne im Denkprozess ständig unterbrochen zu werden. Dies spart bei der Aktenbearbeitung viel Zeit ein und wirkt motivierend, da komplexe Akten in einem angemessenen Zeitrahmen erledigt werden können.

Prozesse nachhaltig etablieren

Doch wie gelingt es, die geänderten Prozessabläufe im Kanzleialltag nachhaltig zu etablieren? Indem das Projekt Digitalisierung ein fester Bestandteil im Kanzleialltag und ein erklärtes Ziel der gesamten Kanzlei wird. Sofern ein Projektteam gegründet wurde, sollte dieses Team dauerhaft bestehen bleiben, um Feedback aus dem Kanzleiteam entgegenzunehmen, zu beurteilen und ggf. Prozesse weiter anzupassen. Grundsätzlich ist es wichtig, die Prozesse kritisch zu beobachten, um sie auf Verbesserungsbedarf zu überprüfen. Dabei könnte sich die turnusmäßig stattfindende Bürobesprechung anbieten, auf der sich als ständiger Tagesordnungspunkt das Thema Digitalisierung befindet und darunter die derzeit anstehenden Prozesse aufgelistet sind.

Zur Qualitätssicherung der digitalisierten Prozesse bieten sich regelmäßige interne Schulungen innerhalb des Kanzleiteams an. Ziel ist dabei die einheitliche Anwendung der festgelegten Prozessabläufe. Mit Blick auf die Mitarbeitermotivation ist es wichtig, das gesamte Team bei der Qualitätssicherung einzubeziehen. Dies könnte so gewährleistet werden, dass verschiedene Einzelthemen, also kleinteilige Arbeitsschritte z.B.

  • Aktenanlage,
  • Nutzung von Abrechnungsvorlagen,
  • Speicherung und Archivierung von E-Mails oder
  • Nutzung der Ordnerstruktur innerhalb der elektronischen Akte

auf verschiedene Kanzleimitglieder übertragen werden, die den festgelegten Prozessablauf dem Team darstellen. Im Team kann dann besprochen werden, ob dieses im täglichen Kanzleialltag tatsächlich den Prozess so umsetzt oder sich in der individuellen Arbeitsroutine Zwischenschritte oder leicht abgewandelte Abläufe eingeschlichen haben. Diese gilt es dann zu beheben, um zu einem einheitlichen Prozess zurückzukehren.

Fazit: Erfolg durch konsequente und strukturierte Umsetzung der Digitalisierung

Digitalisierung kann Spaß machen, wenn sie konsequent und strukturiert eingesetzt wird und jeder spürbar einen Nutzen durch den Einsatz erfährt (z.B. durch Zeitersparnis, besseres Arbeiten im Homeoffice, ungestörte Zeit durch stille Stunden). Am Ende führt kein Weg an der Digitalisierung vorbei, möchte man als Kanzlei im hart umkämpften Wettbewerb um Mandate und Fachpersonal bestehen und erfolgreich sein. Wie schon oftmals zitiert passt das Vereinsmotto der Reno Vereine auch hier: Gemeinsam mehr erreichen. Ich wünsche dabei viel Erfolg!

Bild: Adobe Stock/©Prostock-studio
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Ronja Tietje ist Kanzleiberaterin bei Tietje & Schrader oHG Kanzlei-Consulting und Dozentin für Kanzleimanagement; u. a. in Fachwirtkursen. Die geprüfte Rechtsfachwirtin und Notarfachwirtin und ehemalige langjährige Bürovorsteherin mehrerer Kanzleien ist Vorstandsmitglied des Dachverbandes der Berufsvereinigung (Reno-Bundesverband).

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