Juristische Recherche

Mehr Effizienz in der juristischen Recherche

Der wachsende Einfluss generativer KI auf dem Rechtsmarkt

Der Rechtsmarkt befindet sich in einer Phase des Wandels, insbesondere im Bereich anwenderorientierter Technologie. Die zunehmende Verwendung Künstlicher Intelligenz (KI) hat das Potenzial, tiefgreifende Veränderungen herbeizuführen, bringt aber auch Herausforderungen für die Akteure auf dem Rechtsmarkt mit sich. Software-Anbieter weltweit arbeiten an verschiedenen KI-Projekten und haben bereits erste KI-Tools auf den Markt gebracht. Ein Beispiel dafür, wie die tägliche juristische Praxis durch Sprachmodelle vereinfacht werden kann, ist der Bereich der juristischen Recherche. So können zum Beispiel Zusammenfassungen von Urteilen mithilfe von Generative Pre-trained Transformer (GPT) generiert werden, die die Anzahl der Urteile, die Juristen und Juristinnen lesen müssen, reduziert. Dieser Beitrag verrät, was genau dahintersteckt und wie Kanzleien die juristische Recherche mit KI effizienter gestalten können.

Der Stand der Dinge

Derzeit erlebt der Rechtsmarkt eine Revolution durch den Einsatz von Legal Tech, bei dem Künstliche Intelligenz wie natürliche Sprachverarbeitung (NLP) oder generative KI (GenAI) in softwarebasierte Expertenlösungen integriert wird. Das führt zu bisher ungeahnten Möglichkeiten im juristischen Arbeiten.

Die Entwicklung hin zum Einsatz von KI bestätigt auch die Future Ready Lawyer Studie von Wolters Kluwer, eine jährlich durchgeführte Umfrage unter 700 Rechtsprofis in Anwaltskanzleien und Rechtsabteilungen aus den USA und Europa. Die Studie zeigt: Der Einsatz von Technologie hat sich als fester Bestandteil im juristischen Arbeitsalltag bereits etabliert. 87 Prozent der Befragten gaben an, dass Technologie ihre tägliche Arbeit verbessert hat. Dabei sehen sie die zentrale Rolle von Technologie bei der Schaffung von Mehrwerten für ihre eigene Organisation: Ob es um die Verbesserung in der Zusammenarbeit, die Festigung von Mandatsbeziehungen oder die Optimierung von Arbeitsabläufen geht. Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass die Teilnehmenden die Bedeutung von GenAI erkannt haben. 77 Prozent der Juristen und Juristinnen sowohl in Kanzleien als auch in Rechtsabteilungen erwarten, dass sich GenAI in den nächsten drei Jahren auf ihre tägliche Arbeit auswirken wird.

Newsletter

Wenig Zeit für Digitalisierung?

Digitalisierungstipps, die Sie weiterbringen, erhalten Sie in unserem monatlichen Legal Tech-Newsletter.

Die Verschmelzung von Fachwissen und Technologiekompetenz

Ein Beispiel dafür, wie KI-Technologie bereits heute sinnvoll im juristischen Alltag und speziell in der juristischen Recherche eingesetzt werden kann, sind Zusammenfassungen von Gerichtsurteilen und Beschlüssen aus verschiedenen Rechtsbereichen, die mithilfe von GPT generiert werden.

Ein solches Feature hat Wolters Kluwer auf der Rechercheplattform Wolters Kluwer Online bereitgestellt. Durch die Integration von KI lassen sich juristische Inhalte besser und schneller recherchieren, wodurch die Fallbearbeitung wesentlich vereinfacht, zeitliche Ressourcen geschont und letztlich Kosten gesenkt werden können. Die GPT-generierte Zusammenfassungen von gerichtlichen Entscheidungen ermöglichen es, den Inhalt von Urteilen und Beschlüssen auf einen Blick zu erfassen. Im Gegensatz zum Leitsatz werden gerichtliche Entscheidungen mithilfe der GPT-Technologie als Ganzes ohne menschliche Beteiligung exzerpiert, inklusive Sachverhalt und Verfahrensgang. Entscheidungen können so schneller auf eine mögliche inhaltliche Relevanz für eine eigene konkrete juristische Fragestellung bewertet werden. Dabei haben die Nutzer und Nutzerinnen der „GPT-Zusammenfassung“ die Möglichkeit, direktes Feedback zu geben, das transparent beantwortet wird und in die Weiterentwicklung einfließt.

Die GPT-generierten Zusammenfassungen helfen Juristinnen und Juristinnen, schnell zu erkennen, ob das Urteil bzw. der Beschluss für die konkret recherchierte Fragestellung lesenswert ist. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass dies aktuell nicht das Lesen von Urteilen bzw. Beschlüssen oder die juristische Argumentation ersetzt, sondern darauf abzielt, die Anzahl der zu lesenden Urteile oder Beschlüsse zu verringern. Die GPT-generierten Zusammenfassungen sind aktuell für die Entscheidungen der letzten drei Jahre – über alle Rechtsgebiete und Instanzen hinweg – verfügbar und sorgen so für ein sofortiges Verständnis von Gerichtsentscheidungen.

Bei den GPT-Zusammenfassungen auf Wolters Kluwer Online werden ausschließlich interne Daten von Wolters Kluwer genutzt und es findet kein Training des GPT-Algorithmus durch externe und interne urheberrechtlich geschützte Daten statt.

GPT-Zusammenfassungen 2.0

Das Feature „GPT-Zusammenfassung“ steht momentan in einer Beta-Version zur Verfügung und wird kontinuierlich weiterentwickelt, insbesondere mit Blick auf die inhaltliche Genauigkeit. Für die optimale User Experience haben wir das Feedback unserer Kunden und Kundinnen seit dem Produktlaunch im Dezember 2023 einbezogen und nun mit „GPT-Zusammenfassung 2.0” ein Update veröffentlicht, welches das Produkt umfassend verbessert. So haben wir neben anderen Verbesserungen nicht nur ein anderes Sprachmodell verwendet, sondern auch die Zahl der Wörter innerhalb des Prompts erheblich ausgeweitet.

Wir haben eine klare Trennung zwischen Sachverhalt und Begründung eingeführt, damit die Nutzer und Nutzerinnen direkt in den Sachverhalt oder die entscheidungserheblichen Gründe einsteigen können. Dadurch behalten sie besser den Überblick und finden schneller, wonach sie suchen. Der Fokus liegt nun außerdem mehr auf den entscheidungserheblichen Gründen: Die Urteilsbegründungen werden detaillierter und verständlicher präsentiert, sodass die wesentlichen Argumente des Gerichts auf einen Blick erfasst werden können. Zuletzt wurde die sprachliche Qualität deutlich verbessert und die Zusammenfassungen sind präzise, professionell und auf den Punkt gebracht.

Ein Blick hinter die Kulissen

Um die juristische Recherche effizienter zu gestalten, arbeiten wir mit sogenannten „Large Language Modellen”, welche die Zusammenfassungen der ausgewählten Entscheidungen erzeugen. Abhängig vom Dokument wird das passende Sprachmodell sowie das entsprechende Prompting ausgewählt.

Zum Einsatz kommen unterschiedliche Varianten von GPT, wobei insbesondere die Länge des Dokumentes ein wichtiger Parameter bei der Wahl des richtigen Sprachmodells ist. So ist GPT 3.5 Turbo beispielsweise lediglich in der Lage, bis zu 4096 Token als Eingabe zu verwenden. Dabei entsprechen 1000 Token ungefähr 750 Wörtern. Eine große Anzahl an Gerichtsentscheidungen liegt jedoch – teilweise deutlich – darüber. Hier werden dann Modelle wie das GPT 3.5 16k Modell oder GPT 4 Modelle benötigt, die – geht man von rund 400 Wörtern pro Seite aus – immerhin schon Entscheidungen mit einem Umfang von ca. 50 Seiten verarbeiten können.

Die Zusammenfassungen sind vorgeneriert – insbesondere aus Performance-Gründen. Gerade bei den längeren Entscheidungen kann es schon einmal bis zu 30 Sekunden dauern, bis das Sprachmodell ein Ergebnis liefert. Und das läge deutlich über den von uns akzeptierten Wartezeiten im Kundenbetrieb. Zugleich ermöglicht uns diese Vorgehensweise auch, Metriken zu generieren, anhand derer wir die Qualität der Zusammenfassungen evaluieren können. Wir berechnen dazu verschiedene Scores, um beispielsweise zu sehen, wie ähnlich die Zusammenfassung, mit der ihr zugrunde liegenden Entscheidung ist. In die Validierung waren übrigens rund zahlreiche Fachexperten und -expertinnen, sogenannte Subject Matter Experts, eingebunden, die anhand eines Kriterienkataloges die Qualität der Zusammenfassungen bewertet haben. Darauf aufbauend haben wir dann die besten Prompt-Modell-Kombinationen ausgewählt.

Fazit: KI führt zu mehr Effizienz in der juristischen Recherche

Der Einsatz von generativer KI in der juristischen Recherche zeigt, wie Technologien den Rechtsmarkt nachhaltig verändern können. Automatisierte Zusammenfassungen von Gerichtsurteilen ermöglichen es, schneller relevante Entscheidungen zu identifizieren und so den Rechercheprozess zu optimieren. Dies spart Zeit und Ressourcen, ohne die Qualität der juristischen Arbeit zu beeinträchtigen. Die Technologie dient jedoch nicht als Ersatz für das gründliche Lesen und die juristische Bewertung von Urteilen, sondern hilft dabei, die Menge an zu prüfenden Entscheidungen effizienter zu bewältigen. Damit wird KI zu einem wichtigen Instrument, um die wachsenden Anforderungen an Rechtsberufe zu bewältigen.

Mehr spannende Beiträge zum Thema Künstliche Intelligenz lesen Sie auch in unser demnächst erscheinenden Broschüre Künstliche Intelligenz in der Kanzleipraxis: Fünf Einsatzfelder von Organisation bis Übersetzung. Jetzt den Legal Tech-Newsletter abonnieren und die Ausgabe nach Erscheinen direkt in Ihr Postfach erhalten.

Bild: Adobe Stock/©jirsak
Weitere Beiträge

Dirk Schrameyer, LL. M. (USA) ist Leiter des Bereichs Digital Product Management Legal bei Wolters Kluwer in Deutschland. In dieser Funktion verantwortet er die kundenzentrierte Entwicklung von digitalen, inhaltsbasierten Lösungsangeboten für Juristinnen und Juristen.

Nach oben scrollen