Die juristische Landschaft unterliegt einem tiefgreifenden Wandel. Legal Tech revolutioniert die Rechtsbranche bereits seit Jahren und transformiert dabei fundamentale Arbeitsprozesse. Kanzleien, die diesen Fortschritt ignorieren, laufen Gefahr, ihre Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen. Die Notwendigkeit zur technologischen Modernisierung ist daher dringender denn je. Der Einsatz digitaler Technologien steigert die Effizienz in der juristischen Praxis erheblich und eröffnet den Kanzleien neue Möglichkeiten zur Optimierung der Mandantenbetreuung.
In diesem Beitrag adressiere ich exemplarisch das Forderungsmanagement, welches in meiner Kanzlei erfolgreich implementiert wurde. Dieser Bereich war lange Zeit durch Inkassobüros geprägt, doch zunehmend entscheiden sich Unternehmen für die direkte Mandatierung eines Anwalts oder Anwältin. Dies liegt daran, dass die Kosten in der Regel vom Schuldner getragen werden und Kanzleien eine umfassendere Leistungspalette bieten, die insbesondere die gerichtliche Durchsetzung von Forderungen einschließt.
Unternehmen schätzten bislang die automatisierten und unkomplizierten Abläufe von Inkassodienstleistern, welche nun auch von Kanzleien übernommen werden können. Die Liquidität und finanzielle Stabilität eines Unternehmens hängen maßgeblich von einem effizienten Forderungsmanagement ab. Der Wechsel vom Inkassodienstleister zum Anwalt oder zur Anwältin im Falle von Streitigkeiten verursacht oftmals erhebliche zeitliche und finanzielle Belastungen für Unternehmen. Kanzleien, die in diesem Bereich als strategische Partner auftreten, tragen erheblich zur Beschleunigung der Abläufe bei und stärken somit die finanzielle Stabilität ihrer Mandantinnen und Mandanten.
Digitalisierung im Forderungsmanagement
Traditionelle Verfahren des Forderungsmanagements sind häufig durch hohe zeitliche Aufwendungen und eine erhebliche Fehleranfälligkeit gekennzeichnet. Probleme wie manuelle Datenerfassung, redundante Prozesse und Kommunikationsdefizite sind keine Seltenheit. Derartige Verzögerungen führen nicht selten dazu, dass Prozesse unnötig verlängert werden, die Durchsetzbarkeit von Forderungen erschwert wird und diese aufgrund technischer Hindernisse letztlich nicht oder nur verspätet realisiert werden können. Durch den Einsatz digitaler Technologien lassen sich diese Herausforderungen signifikant minimieren.
Digitale Workflows ermöglichen eine effizientere Bearbeitung, reduzieren potenzielle Fehlerquellen und optimieren den gesamten Prozess der Forderungsdurchsetzung. Hierbei spielen elektronische Datenaufnahmen und automatisierte Abläufe – von der Erstellung des ersten Forderungsschreibens über individualisierte Klageschriften bis hin zum automatisierten Mahnverfahren – eine zentrale Rolle. Schnittstellen für den Datenaustausch zwischen Kanzlei und Mandantschaft fördern die nahtlose Kommunikation, den effizienten Datenfluss sowie die Automatisierung von Prozessen und sorgen für eine erhöhte Transparenz.
Papierloser Austausch mit Mandantschaft
Der papierlose Austausch mit Mandantinnen und Mandanten stellt einen erheblichen Fortschritt im digitalen Forderungsmanagement dar. Verschlüsselte Kommunikationskanäle und sichere Cloud- Lösungen sind mittlerweile zum Standard avanciert und gewährleisten eine reibungslose Zusammenarbeit, die gleichzeitig den rechtlichen Anforderungen an elektronische Dokumente und Signaturen gemäß § 126a BGB genügt. Die Integration von Mandantenportalen oder einer eigenen Kanzlei-App ermöglicht es, Informationen in Echtzeit bereitzustellen, was die Transparenz erhöht und die Entscheidungsprozesse beschleunigt. Dadurch wird den Mandantinnen und Mandanten eine unkomplizierte Übergabe von Unterlagen ermöglicht, ohne dass eine Prüfung durch die Rechtsabteilung oder – bei kleineren Unternehmen – die persönliche Einbindung der Geschäftsführung erforderlich ist. Mandantinnen und Mandanten profitieren vom ständigen Zugriff auf ihre Akten, können Prozessfortschritte unmittelbar nachvollziehen und sind stets über den aktuellen Stand informiert.
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Produktivitätssteigerungen in der Kanzlei
Die standardisierte Datenerhebung ermöglicht es Kanzleien, ihre internen Abläufe signifikant zu optimieren. Rückfragen von oder bei Mandantinnen und Mandanten können auf ein Minimum reduziert werden, was zu einer Entlastung beider Seiten führt. Automatisierte Prozesse, wie etwa die Fristenberechnung gemäß § 222 ZPO oder die Einbindung von Verzugszinsrechnern, minimieren die Fehleranfälligkeit und entlasten die Mitarbeitenden von repetitiven Routineaufgaben. Dadurch stehen mehr Ressourcen für die Bearbeitung komplexer Mandate zur Verfügung. Ein vollständig digitalisiertes Dokumentenmanagement verbessert zudem die Kanzleiorganisation erheblich. Solche digitalen Kanzleistrukturen fördern die Skalierbarkeit der angebotenen Dienstleistungen und ermöglichen eine effizientere Personalallokation. Kosteneinsparungen resultieren darüber hinaus aus der reduzierten Notwendigkeit physischer Ressourcen, was den gesamten Workflow nachhaltig optimiert.
Kostensenkungen für Mandantinnen und Mandanten
Ein wesentlicher Vorteil für Mandantinnen und Mandanten besteht in den erheblichen Kosteneinsparungen, die durch den Einsatz moderner Kanzleitechnologien erzielt werden können. Während die Anwaltsgebühren gemäß RVG festgelegt sind, führen kürzere Bearbeitungszeiten und ein reduzierter Verwaltungsaufwand zu einer Senkung der internen Personalkosten auf Seite der Mandantschaft. Zusätzlich werden Nebenkosten, wie beispielsweise Porto und Lagerhaltung, signifikant reduziert. Durch eine zügige und konsequente Forderungseinziehung werden finanzielle Mittel schneller verfügbar gemacht, was zu einer erhöhten Liquidität der Mandantinnen und Mandanten führt.
Rechtliche Aspekte und Compliance
Die rechtlichen Herausforderungen für Kanzleien sind nicht zu unterschätzen, insbesondere im Hinblick auf Compliance und Datensicherheit. Die Anforderungen an die Datenverarbeitung werden maßgeblich durch die DSGVO, insbesondere Art. 5 und Art. 6, bestimmt, die hohe Maßstäbe an die Vertraulichkeit und Sicherheit stellen. Elektronische Beweismittel müssen den Anforderungen des § 371a ZPO entsprechen, und elektronische Signaturen unterliegen den Vorgaben der eIDAS-Verordnung. Die Sicherstellung der Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit von Daten gemäß Art. 32 DSGVO ist unabdingbar. Die Kanzleien sind verpflichtet, geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um die Datensicherheit zu gewährleisten und Haftungsrisiken zu minimieren.
Praxisbeispiel: Erfolgreiche Umsetzung im eigenen Forderungsmanagement
Ein Praxisbeispiel zeigt, wie die Umstellung auf digitale Verfahren zur deutlichen Verbesserungen führen kann. Durch die Implementierung standardisierter Abfragen können sowohl neue als auch bestehende Mandantinnen und Mandanten schnell und unkompliziert Mandatsanfragen einreichen, welche automatisiert, strukturiert und geordnet als digitale Akte angelegt werden. Manuelle Eingriffe durch Mitarbeitende sind dabei nicht erforderlich. Fehlerquellen werden auf ein Minimum reduziert und sind klar auf fehlerhafte Eingaben seitens der Mandantinnen und Mandanten zurückzuführen. Mittels eines standardisierten Prüfverfahrens kann mit geringem Arbeitsaufwand der Kanzlei eine Erstprüfung erfolgen, wobei ein erstes anwaltliches Forderungsschreiben in der Regel noch am Tag der Beauftragung, spätestens jedoch innerhalb von drei Werktagen, versandt wird. Die schnelle Bearbeitung findet ihren Ausdruck in der positiven Resonanz der Mandantschaft.
Herausforderungen und Lösungsansätze
Die Implementierung von Legal Tech ist dabei zunächst mit nicht unerheblichen Herausforderungen verbunden. Interne Widerstände, technische Unsicherheiten sowie rechtliche Fragestellungen, insbesondere im Bereich des Datenschutzes, stellen erhebliche Hürden dar, die es zu überwinden gilt. Erfolgreiche Bewältigungsstrategien erfordern eine sorgfältige Planung, die Durchführung von Pilotphasen, gezielte Schulungsmaßnahmen sowie die Einbindung von IT- und Rechtsexperten. Das Change Management nimmt hierbei eine zentrale Rolle ein, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten den Transformationsprozess aktiv mittragen.
Zukunftsausblick
Die Entwicklung von Legal Tech befindet sich in vielen Kanzleien noch in einem frühen Stadium. Meiner Einschätzung nach werden durch die Reduzierung von Implementierungshürden zunehmend mehr Kanzleien in der Lage sein, automatisierte Dienstleistungen anzubieten.
Künstliche Intelligenz wird künftig eine tragende Rolle in nahezu allen Rechtsgebieten übernehmen, und Blockchain-Technologien könnten transparente sowie manipulationssichere Transaktionen ermöglichen. Die Automatisierung von Rechtsprozessen durch Smart Contracts wird langfristig die Tätigkeit von Juristinnen und Juristen tiefgreifend verändern. Ob und inwieweit die Notwendigkeit einer Vielzahl von Juristen und Juristinnen – auch vor dem Hintergrund des aktuellen Fachkräftemangels – durch den technischen Fortschritt im Bereich der Künstlichen Intelligenz langfristig bestehen bleibt, wird sich erst in der Zukunft zeigen.
Nach meiner Einschätzung müssen sich jedoch alle Berufsträgerinnen und Berufsträger kontinuierlich weiterentwickeln und innovationsbereit bleiben, um diese Potenziale optimal auszuschöpfen und auch mittel- bis langfristig ihre Marktposition zu sichern.
Fazit: Potenziale der Digitalisierung ausschöpfen und Wettbewerbsfähigkeit sichern
Legal Tech bietet im Bereich des Forderungsmanagements vielfältige Vorteile. Es steigert die Effizienz, senkt die Kosten und erhöht die Zufriedenheit der Mandantinnen und Mandanten. Kanzleien sollten die Potenziale der Digitalisierung aktiv ausschöpfen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern. Nur durch die konsequente Nutzung dieser Technologien können Juristen und Juristinnen auch künftig als strategische Partner ihrer Mandanten und Mandantinnen agieren und den wachsenden Anforderungen des Marktes gerecht werden.
Legal Tech in Form von Spezialisierungen stellt keinen vorübergehenden Trend dar, sondern eine nachhaltige Entwicklung, die die Rechtsdienstleistungen grundlegend transformieren wird. Es liegt an den Kanzleien, diese Transformation proaktiv mitzugestalten.