Rechtsprofis, die sich im Bereich Legal Tech auskennen, werden im Zuge der Digitalisierung für Kanzleien und Unternehmen immer wertvoller. Doch was braucht man, um in diesem Bereich erfolgreich zu sein? Vor allem Neugier, Durchhaltevermögen und Kreativität, sagt Nathalia Schomerus, Legal Tech-Spezialistin und Leiterin des Teams Künstliche Intelligenz bei CMS Hasche Sigle. In Interview teilt sie ihre beruflichen Erfahrungen, gibt Einblicke in ihren typischen Arbeitsalltag und erklärt, wieso Künstliche Intelligenz in ihrem Beruf eine große Rolle spielt. Zudem verrät sie ihre Tipps für Studierende und Berufseinsteiger:innen, die eine Karriere im Bereich Legal Tech anstreben.
Frau Schomerus, Sie arbeiten als Legal Tech-Spezialistin und Leiterin der KI-Abteilung bei der Kanzlei CMS. Wie würden Sie Ihren Job beschreiben?
Ich befasse mich mit der Implementierung von Künstlicher Intelligenz in unserer Kanzlei. Dazu gehört alles, was notwendig ist, um KI in allen unseren Berufsgruppen nutzbar zu machen, also CMSler:innen durch KI die Arbeit zu erleichtern. Was mir besonders wichtig ist: Ich arbeite dabei nicht allein, sondern als Teil der Legal Tech-Einheit stets mit verschiedenen nationalen und internationalen Teams wie unseren Knowledge-Management-Anwältinnen, unseren AI Ambassadors oder unserer internationalen KI-Arbeitsgruppe zusammen.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Die klassische, aber richtige Antwort lautet: Es kommt darauf an.
Ein bisschen kann ich es trotzdem spezifizieren. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit besteht darin, unterschiedliche Stränge zusammenzuhalten, also verschiedene Gruppen und Einzelpersonen in der Sozietät über relevante KI-Entwicklungen am Markt sowie unsere eigenen Projekte zu informieren und umgekehrt ihre Bedürfnisse zu ergründen, um Anwendungsfälle für KI zusammenzutragen. So sollen alle wichtigen Informationen die richtigen Menschen erreichen. Dazu gehört z. B.
- das Testen vieler Tools,
- der Erfahrungsaustausch mit unseren internationalen Partnern im CMS-Verbund,
- das Lesen aktueller Paper aus dem IT-Bereich und anderer Veröffentlichungen zu KI,
- der Besuch von und das Präsentieren bei Konferenzen und Fachtagungen,
- die Planung und Durchführung von Präsenzschulungen, Workshops und Webinaren für verschiedene Zielgruppen,
- die Aufnahme unseres KI-Podcasts,
- das Zusammenstellen von Testgruppen für KI-Tools und das Einholen und Umsetzen von ihrem Feedback
- sowie das Schreiben von Texten zu KI für Intranet und Newsletter.
An den meisten Tagen spreche und schreibe ich deshalb viel mit Einzelpersonen und Gruppen. Derzeit bedeutet das auch, dass ich sehr viel durch Deutschland und Europa reise, vor allem zu Konferenzen und Kongressen, Geschäftsbereichstreffen, anderen internen Veranstaltungen oder für Mandate.
Ein zweiter Teil meiner Arbeit ist die Entwicklung. Hier setze ich Use Cases um, entwickle zusammen mit anderen Benchmarking-Methoden für KI-Tools, schreibe Prompts und experimentiere viel mit verschiedenen KI-Modellen, suche relevante Dokumente für einzelne Use Cases zusammen, setze Feedback zu KI-Tools um und trage zu unserem mit dem Start-up Xayn mitentwickelten Sprachmodell Noxtua bei. Dazu gehört auch die Entwicklung von Vorschlägen, welche strategischen Vorhaben wir als Nächstes angehen sollten.
Wenig Zeit für Digitalisierung?
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Künstliche Intelligenz wird in Zukunft einige klassische Tätigkeiten der juristischen Arbeit ersetzen können. Welche Rolle spielt KI in Ihrem Arbeitsalltag und wie bilden Sie sich dazu weiter?
Ich nutze KI mehrmals täglich, insbesondere beim Schreiben von Texten sowie zur Recherche. Meine Arbeit ist dabei wie eine konstante Weiterbildung, da ich mich Vollzeit damit beschäftigen darf, wie wir unsere Prozesse mit KI automatisieren können. Für Anwälte und Anwältinnen sehe ich etwa die Administration, den Entwurf und das Anpassen von Texten, das Organisieren und Formulieren von Klauseln, das Durchsuchen und Prüfen von Dokumenten sowie die Recherche als Anwendungsfelder, wobei mit der Zeit hoffentlich noch viele weitere hinzukommen.
Welche aktuellen Legal Tech-Projekte betreuen Sie momentan bei CMS?
Genuine KI-Projekte. Ich sehe mir Tools an und teste sie, trage zur Entwicklung eigener KI-Tools bei, gebe Trainings für die Sozietät, suche mögliche Anwendungsfälle und helfe auf verschiedenen Ebenen, KI bei uns zu implementieren. Wir sind eine große Kanzlei und so gibt es verschiedene Achsen wie Geschäftsbereiche, Fokusgruppen oder Testgruppen mit jeweils eigenen Bedürfnissen und Aufgaben. Ich versuche, diese Aufgaben zu verstehen und dabei zu helfen, dass alle die richtigen Tools und Trainings haben, um KI zu nutzen. Daneben unterstütze ich vereinzelt, etwa durch Workshops, auch Mandantinnen und Mandanten, deren Rechtsabteilungen vor ähnlichen Herausforderungen stehen wie wir.
Sie haben neben Jura auch Volkswirtschaftslehre, Geschichte und Theologie studiert. Welche Fähigkeiten sollte man für Ihren Beruf mitbringen und muss es unbedingt das klassische Jurastudium sein?
In meinem Bereich sind vor allem Neugierde, Spaß am Ausprobieren, Durchhaltevermögen, Frustrationstoleranz, Motivation, Kreativität und die Bereitschaft, sich tief in Prozesse und Sachverhalte hineinzufuchsen, besonders wertvoll. Für meine Arbeit ist es außerdem essentiell, die Kernherausforderungen von einzelnen juristischen Aufgaben über verschiedene Geschäftsbereiche und Tätigkeiten hinweg möglichst schnell zu erfassen. Mein Jurastudium hilft mir dabei, aber es muss nicht unbedingt ein deutsches Jurastudium sein. Ein Referendariat ist auch nicht zwingend erforderlich, ich habe selbst keines absolviert. Es ist auch weniger wichtig, ob man in der Vergangenheit beispielsweise programmiert hat, was bei unseren KI-Projekten ohnehin wenig relevant ist, sondern geht vor allem darum, ob man bereit ist, sich das jeweils nötige technische Wissen anzueignen.
Ich selbst habe vor meiner Zeit bei CMS u. a. ein Start-up gegründet, eine Promotion in moderner Geschichte angefangen, als Barkeeperin und AStA-Referentin gearbeitet und in Chile, Großbritannien, Italien und Israel gelebt. Dieser Hintergrund hilft mir bei meiner heutigen Arbeit mehr, als dass er schadet. Im Bereich Legal Tech freuen wir uns besonders über vielfältige Erfahrungen und Interdisziplinarität.
Was motiviert Sie persönlich, im Legal Tech-Bereich zu arbeiten?
Idealismus! Der Zugang zum Recht, effiziente Prozesse und die Fokussierung auf das Wesentliche sind für mich Herzensanliegen, die ich mit großer Leidenschaft verfolge. Ich möchte, dass unser Rechtsstaat und die juristischen Dienstleistungen darin bestmöglich funktionieren. Außerdem mag ich Jura sehr, aber repetitive Aufgaben gar nicht. Deshalb freue ich mich, diese für mich und andere zu automatisieren.
Haben Sie abschließend noch Tipps für Jurastudierende, die sich für Legal Tech interessieren und sich eine Karriere in diesem Bereich vorstellen können?
Zahlreiche Ressourcen sind im Internet frei zugänglich, sowohl zu KI als auch zu Legal Tech allgemein. Außerdem geben viele von uns sehr gerne Tipps und Erfahrungen im persönlichen Austausch weiter. Was zudem häufig nicht bekannt ist: Einige Legal-Tech-Konferenzen und andere Tagungen wie der Deutsche Anwaltstag, bei dem sich dieses Jahr alles um die digitale Welt drehte, sind für Studierende kostenlos oder stark vergünstigt. Dort gibt es durch spannende Vorträge und Stände von Tool-Anbietern die Möglichkeit, einen aktuellen Einblick in die Legal Tech-Welt zu bekommen und mit interessanten Menschen ins Gespräch zu kommen.
Weitere spannende Themen finden Sie in der aktuellen Ausgabe des Legal Tech-Magazins
"DIY Legal Tech für Rechtsabteilungen"
Bild: Adobe Stock/©wenich
Nathalia Schomerus arbeitet seit 2022 bei CMS im Legal Tech und ist Leiterin des Teams Künstliche Intelligenz. Sie ist Juristin und Theologin und schloss Ihr Studium als Clore Graduate Scholar an der Universität Oxford ab. Vor ihrer Zeit bei CMS war Nathalia mehrere Jahre in der Wissenschaft tätig und gründete anschließend ein StartUp, für welches sie als Forbes 30 under 30 Europe ausgezeichnet wurde.