Papierlose Kanzlei

Die papierlose Kanzlei – wie die Umstellung gelingt und welche Vorteile sie bringt

Von Cornel Pottgiesser

Nachtbriefkasten, Stenografie und beglaubigte Kopie – dies waren einmal analoge Hilfsmittel, um die Abläufe in der Kanzlei kostengünstig zu verbessern. Anderenfalls hätte der Anwalt tagsüber persönlich bei Gericht erscheinen müssen. Später kamen Diktiergerät, Telefax und Mobiltelefon hinzu. Heute reden wir über digitale Hilfsmittel wie das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA), Spracherkennung oder Homeoffice. So lässt sich gerne nochmals die Hälfte der Kosten für Mitarbeiter reduzieren und die Arbeitsgeschwindigkeit des Anwalts bzw. der Anwältin nahezu ebenso erhöhen. Doch wie vollziehen Kanzleien im besten Fall die Umstellung auf die papierlose Kanzlei?

1.Was macht die papierlose Kanzlei attraktiv?

Zuallererst beschleunigt die Digitalisierung jeden Prozess in der Kanzlei. So ist beispielsweise der Posteingang nahezu in Echtzeit auf dem Bildschirm.

Gleiches gilt für die Erstellung eines Schriftsatzes mit Spracherkennung. Ebenso schnell verlässt ein Schriftsatz die Kanzlei zum Gericht oder Kollegen.

Ungeliebte Tätigkeiten wie Tippen, Kopieren, Drucken oder Kuvertieren fallen weg. Geht die Korrespondenz elektronisch ein, entfällt selbst das ansonsten notwendige Scannen; natürlich immer mit Texterkennung, damit mit Schlagworten der gesuchte Begriff gefunden werden kann.

In einer papierlosen Kanzlei verschwinden weder Akte noch Kommentar. Nie mehr suchen und fluchen! Elektronische Dokumente können mit Schlagworten schnell durchsucht werden.

Zusätzlich kann intelligente Software den Datenbestand zu Mustern und Formularen zusammenführen, sodass eine wertvolle Wissensdatenbank entsteht.

Die Kanzlei wird mobil: Mit einfachen technischen Mitteln (Remote Desktop via VPN) lässt sich ein Zugang für Gerichtstermin, Geschäftsreise oder Home-Office verwirklichen. Zur Vorsorge bei fehlendem Mobilfunknetz empfiehlt sich dennoch die lokale Mitnahme der Handakte zum Gerichtstermin. Die Möglichkeit des Arbeitens von zu Hause bindet zudem qualifizierte Mitarbeiter an die Kanzlei. Der mobile Zugang macht eine attraktive Work-Life-Balance einfacher umsetzbar.

2.Wie stelle ich meine Kanzlei auf papierlos um?

Vor allem ist das eine Frage der Organisation: Die elektronische Akte muss Vorrang haben! Sie gilt ohne Einschränkung. Schriftsätze, Briefe, aber auch interne Nachrichten und Notizen gibt es nicht mehr in Papierform. Jeder Anwalt oder Mitarbeiter muss alle relevanten Daten zur elektronischen Akte speichern. Papierrestakten dienen in einer Übergangszeit nur der eigenen Arbeitserleichterung. „Ich bin einfach ein Papiertyp“ hat ausgedient.

Technisch sind ein leistungsstarker Server, eine Firewall samt VPN-Zugang und eine Diktiersoftware wichtig. Ob der Server virtuell oder tatsächlich in der Kanzlei installiert wird, ist eine Frage der Datensicherheit, der Leistungsfähigkeit des Kommunikationsanschlusses und nicht zuletzt des Preises. Eine papierlose Kanzlei generiert bei weitem mehr Gigabytes an Daten. Vor allem die verfügbare Upload-Geschwindigkeit entscheidet dann über den Standort des Servers. Sollte hier zu wenig Leistung zur Verfügung stehen, macht ein Server in der Cloud keinen Spaß. Die Programme sind langsam und hängen häufig. Außerdem sollte jeder Arbeitsplatz mit drei großen Bildschirmen ausgestattet sein. Oft müssen mehrere Programme nicht nur geöffnet, sondern auch sichtbar sein. Weiterhin ist auch in einer kleinen Kanzlei ein vernünftiger Scanner wichtig.

Schließlich sollte zumindest mittelfristig eingehende Papierkorrespondenz vernichtet werden. Das erfordert etwas Mut, weil ein erhebliches Störgefühl aufkommt. Zumindest in unserer Praxis ist es aber noch nicht vorgekommen, dass wir es bereut haben. Vielmehr freuen wir uns darüber, dass kein Raum mehr zum Abhängen der Akten benötigt wird.

3.Was funktioniert in einer papierlosen Kanzlei nicht so gut?

Der größte Nachteil papierlosen Arbeitens liegt in der anderen Handhabung der Akte, wenn man etwas schnell sucht, vor allem vor Gericht: Das einfache Blättern in der Akte ist kaum möglich, die Arbeit mit Schlagworten gewöhnungsbedürftig. Gerade Kollegen mit umfangreichen Akten sind hier gespaltener Meinung: Die einen schwören auf die Papierakte mit etlichen Markierklebern, die anderen genießen die schnelle Durchsuchung der indexierten Dokumente mit Schlagworten.

In einer Übergangszeit ist die Umstellung der Bearbeitung von Schriftsätzen zu erlernen: Unterstreichungen, Anmerkungen und Markierungen im Dokument sind (je nach Software) aufwendig und eigentlich nur bei Verwendung von Tablets mit berührungsempfindlichen Bildschirmen eingeschränkt zu empfehlen (Windows Ink oder Apple Pencil). Dort vergibt man sich aber den Vorteil großer Bildschirme am regulären Arbeitsplatz, vor allem die fehlerfeindliche Lesbarkeit. Dementgegen hat sich die direkte Anfertigung einer Stellungnahme auf einen Schriftsatz oder einen Vertragsentwurf bewährt: Mittels Diktiersoftware wird unmittelbar bei Lektüre des anderen Dokuments die Stellungnahme erstellt, sodass Unterstreichungen, Anmerkungen und Markierungen überflüssig werden.

4.Fazit: Weniger Papier, mehr Effizienz

Da die Korrespondenz mit Gerichten zwingend, mit Behörden immer mehr und mit Kollegen damit wohl auch papierlos werden wird, sollten Sie den Entwicklungsprozess gestalten und nicht getrieben sein. Die lustlose Einbeziehung des beA in eine ansonsten papierne Umgebung sorgt mittelfristig für Verdruss oder wenigstens hohe Kosten. Die effektive Struktur einer papierlosen Kanzlei macht den Einsatz der Ressourcen für beste Rechtsberatung einfacher. So können Sie den einen oder anderen Marktbegleiter hinter sich lassen.

Foto: Adobe Stock/©fotodesign-jegg
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Cornel Pottgiesser ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht.
Er ist Partner einer Wirtschaftssozietät und berät vornehmlich Familienunternehmen. Außerdem ist er als Dozent für Internationales Wirtschaftsrecht tätig.

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