Stellen Sie sich vor, Sie öffnen morgens Ihren Laptop, bereit für einen produktiven Tag voller Mandantengespräche und Schriftsätze – doch anstelle Ihrer gewohnten Desktop-Oberfläche erwartet Sie nur eine Warnmeldung: „Ihre Daten wurden verschlüsselt. Zahlen Sie zehn Bitcoin, um wieder Zugriff zu erhalten.“ Plötzlich ist Ihr Büro nicht mehr nur ein Ort für Recht und Ordnung, sondern Schauplatz eines digitalen Geiseldramas.
So absurd es klingt, genau solche Szenarien spielen sich immer häufiger in Anwaltskanzleien ab – schließlich sind hier nicht nur sensible Daten, sondern auch liquide Mandanten zu finden. Doch keine Sorge: Wer sich gut vorbereitet, kann sein digitales Büro in eine sichere Festung verwandeln. Welche Gefahren lauern konkret, welche Folgen drohen und wie können sich Kanzleien optimal schützen? Das zeigen wir Ihnen in diesem Artikel.
Warum Anwaltskanzleien ins Visier geraten
Hacker haben es insbesondere auf Anwaltskanzleien abgesehen, weil sie eine Fülle vertraulicher Informationen speichern. Besonders häufig treten Ransomware-Angriffe auf, bei denen Cyberkriminelle sämtliche Daten verschlüsseln und nur gegen eine Lösegeldzahlung wieder freigeben. Ebenso verbreitet ist Phishing, eine Betrugsmasche, bei der Anwältinnen und Anwälte oder auch deren Mitarbeitende dazu verleitet werden, auf gefälschten Webseiten ihre Zugangsdaten preiszugeben. Auch unzureichend gesicherte IT-Systeme können zu gefährlichen Datenlecks führen, insbesondere wenn Cloud-Dienste oder Server nicht ausreichend geschützt sind. Eine weitere Bedrohung stellt Social Engineering dar: Dabei nutzen Angreifer psychologische Tricks, um Mitarbeitende dazu zu bringen, Passwörter oder andere sicherheitskritische Informationen herauszugeben. Bekannt sind dabei insbesondere folgende Methoden:
Autoritätsprinzip: „Hier ist die IT-Abteilung. Wir brauchen dringend Ihr Passwort, um ein Sicherheitsproblem zu beheben.“
→ Viele Menschen folgen Anweisungen von vermeintlichen Autoritätspersonen automatisch.
Zeitdruck erzeugen: „Sie müssen das Passwort sofort mitteilen, sonst verlieren wir alle Daten!“
→ Unter Druck reagieren Mitarbeitende oft unüberlegt und geben Informationen preis.
Hilfsbereitschaft ausnutzen: „Ich habe gerade mein Passwort vergessen und mein Chef braucht dringend Zugriff – können Sie mir helfen?“
→ Besonders serviceorientierte Mitarbeitende sind hier anfällig.
Versprechen von Belohnungen: „Sie haben ein Geschenk erhalten – bitte loggen Sie sich mit Ihren Zugangsdaten ein, um es abzurufen.“
→ Ein klassischer Trick bei Phishing-Mails.
Angst und Unsicherheit schüren: „Ihr Konto wurde gehackt. Bitte ändern Sie sofort Ihr Passwort über diesen Link.“
→ In Panik folgen viele dem Link – und landen auf einer gefälschten Seite.
Die Konsequenzen eines Cyberangriffs
Ein erfolgreicher Cyberangriff kann gravierende Folgen für Kanzleien haben. Wenn Daten gestohlen oder verschlüsselt werden, drohen nicht nur hohe finanzielle Einbußen, sondern auch ernsthafte rechtliche Konsequenzen. Mandantendaten unterliegen strengen Datenschutzbestimmungen, und ein Verstoß kann hohe Bußgelder nach sich ziehen. Zudem kann es zu erheblichen Reputationsschäden kommen – denn das Vertrauen der Mandantinnen und Mandanten ist für eine Kanzlei essenziell. Ein einziger Vorfall kann dazu führen, dass sie die Zusammenarbeit mit Ihnen beenden und potenzielle neue Mandantinnen und Mandanten abgeschreckt werden. Auch die Betriebsabläufe können massiv gestört werden: Ohne Zugriff auf Akten, Schriftsätze und E-Mails kann der Kanzleibetrieb schnell zum Stillstand kommen.
Beispiel: Ransomware-Angriff auf eine Kanzlei mit zehn Mitarbeitenden
Kostenfaktor | Beispielbetrag (netto) |
1. Betriebsunterbrechung (5 Tage Ausfall) | 10 Mitarbeitende × 600 €/Tag = 3.000 €/Tag × 5 Tage = 15.000 € |
2. IT-Forensik & Wiederherstellung | IT-Dienstleister zur Datenrettung = 8.000 € |
3. Kommunikationskosten/PR-Beratung | Imagewiederherstellung, Mandanteninfo = 3.000 € |
4. Schadenersatz/Haftung | z. B. bei Datenschutzverletzung (geschätzt) = 5.000 € |
5. Bußgelder (DSGVO) | Mögliche DSGVO-Strafe bei Meldeverzug = 10.000 € |
6. Lösegeld | z. B. 2 Bitcoin (bei 60.000 €/BTC) = 120.000 € |
7. Neue IT-Infrastruktur/Härtung | Sicherheitsmaßnahmen nach dem Vorfall = 7.000 € |
Gesamtschaden ohne Lösegeld: ca. 48.000 €
Gesamtschaden mit Lösegeld: ca. 168.000 €
🔐 Hinweis: Diese Zahlen sind Durchschnittswerte und variieren je nach Umfang und Art des Angriffs. Kanzleien, die keine Backups oder Notfallpläne haben, sind meist stärker betroffen.
Schutzmaßnahmen: So minimieren Sie Ihr Risiko
Um sich effektiv gegen Cyberangriffe zu wappnen, sollten Kanzleien umfassende Sicherheitsmaßnahmen ergreifen:
Technische Sicherheitsvorkehrungen:
- Einsatz von Firewalls und Virenschutzprogrammen
- Regelmäßige Software-Updates und Sicherheitspatches (Aktualisierungen, die Schwachstellen in Software beheben)
- Verschlüsselte Kommunikation und Datenspeicherung
- Mehrstufige Authentifizierung für alle Systeme
Schulung der Mitarbeitenden:
- Sensibilisierung für Phishing-Angriffe durch Schulungen und Tests
- Sicherer Umgang mit Passwörtern
- Regelmäßige Sicherheitschecks und Notfalltrainings
Notfallpläne und Datensicherung:
- Regelmäßige Backups auf externen, geschützten Servern
- Klare Handlungsanweisungen für den Ernstfall
- Externe IT-Sicherheitsberater:innen einbinden
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen gibt es keine hundertprozentige Sicherheit. Eine Cyber-Versicherung kann helfen, finanzielle Verluste und Haftungsrisiken zu minimieren. Im Schadensfall übernimmt eine solche Versicherung beispielsweise die Kosten für IT-Forensik und Datenwiederherstellung. Auch Betriebsunterbrechungen, die durch einen Cyberangriff entstehen, können abgesichert werden. Darüber hinaus bieten viele Policen rechtliche Beratung und Schadenersatzleistungen an, falls es durch einen Angriff zu Datenschutzverstößen kommt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Krisenmanagement: Versicherer stellen oft Expertinnen und Experten zur Verfügung, die dabei helfen, den Schaden für das Image der Kanzlei möglichst gering zu halten.
Fazit: Sicherheit als Priorität
Ein Cyberangriff auf eine Anwaltskanzlei ist wie ein ungebetener Gast auf der eigenen Gartenparty: Plötzlich steht jemand am Buffet, bedient sich an den teuersten Häppchen – und verschwindet spurlos. Die Folgen sind verheerend: gestohlene Daten, lahmgelegte Systeme und ein angeschlagenes Vertrauen der Mandantschaft. Doch mit den richtigen Schutzmaßnahmen lässt sich das Risiko erheblich minimieren. Eine Kombination aus technischer Absicherung, geschulten Mitarbeitenden und bei Bedarf einer maßgeschneiderten Cyber-Versicherung bietet einen soliden Schutzwall gegen digitale Eindringlinge.
To-do-Liste für bessere Cybersicherheit in Kanzleien:
- IT-Sicherheitssysteme regelmäßig prüfen und aktualisieren
- Mitarbeitende in Cybersecurity schulen
- Backups automatisiert und extern speichern
- Klare Notfallpläne definieren und testen
- Prüfen, ob sich der Abschluss einer Cyber-Versicherung lohnt
Foto: Adobe Stock/©Montri
Franziska Geusen ist als Geschäftsführerin von Hans John Versicherungsmakler GmbH seit vielen Jahren als Spezialistin für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von rechts- und wirtschaftsberatenden Berufen tätig. Ihr Unternehmen kümmert sich seit 1992 um die risikogerechte Absicherung von Kanzleien und unterstützt im Haftungsfall durch hausinterne Volljuristen. Durch ihre Tätigkeit als Vorständin im AfW Bundesverband Finanzdienstleistungen engagiert sie sich darüber hinaus politisch für die Zukunftssicherung ausgezeichneter Beratung durch die Versicherungs- und Finanzbranche.