Wissensmanagement Kanzleien

Klein aber smart: Wie kleine Kanzleien ihr Wissen besser organisieren können

Das eigene Know-how ist das wichtigste Gut eines Rechtsanwalts oder einer Rechtsanwältin. Wissensmanagement sorgt dafür, diesen Schatz bestmöglich zu nutzen. Gerade kleinen Kanzleien stehen oft nur wenige Ressourcen für das Wissensmanagement zur Verfügung - aber auch mit geringen Mitteln kann heutzutage viel im Wissensmanagement erreicht werden. Digitale Tools und KI erleichtern zusätzlich die Nutzung des Know-hows.

Was ist Wissensmanagement?

Wissensmanagement (engl. Knowledge Management (KM)), ist das systematische Sammeln, Erfassen, Verwalten und Verbreiten von Wissen innerhalb einer Organisation. Ziel ist es, das vorhandene Wissen optimal zu nutzen. Wissensmanagement trägt so zur Steigerung der Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit bei.

Im Wissensmanagement wird in vier Arten von Wissen unterschieden: externes, internes, explizites und implizites Wissen. Unter internes Wissen wird alles Wissen verstanden, das in der Organisation vorhanden ist. Externes Wissen befindet sich außerhalb des Unternehmens und muss zunächst erworben oder beschafft werden. Zum externen Wissen gehören z. B. Fachliteratur, Datenbanken und Internetquellen, aber auch das Erfahrungswissen von externen Experten.

Explizites Wissen, ist Wissen, dass bereits dokumentiert wurde und entweder verschriftlicht, oder in Form von Texten, Bildern, Grafiken, Audio- oder Video-Dateien vorliegt. Implizites Wissen das Erfahrungswissen von Personen, das zunächst erfasst und dokumentiert werden muss, um es nutzen zu können. Fast 90 Prozent des Wissens einer Kanzlei ist implizit und steckt in den Köpfen der Mitarbeitenden. Dieses impliziten Wissens wird in Kanzleien meist in Form von Vertragsmuster, Vorlagen, Checklisten oder Handbüchern dokumentiert, und in explizites Wissen umgewandelt.

Digitale Tools für das Wissensmanagement

Digitalisierung und Künstliche Intelligenz haben das Wissensmanagement in den letzten Jahren vereinfacht. Viele Kanzleien sehen für sich den Mehrwert der Digitalisierung, wissen aber oft nicht, wie und womit sie anfangen sollen. Grundsätzlich sollte mit dem gestartet werden, was im Unternehmen bereits vorhanden ist. Für viele Kanzleien bedeutet das zunächst einmal ihre MS 365-Lizenzen und ihre Kanzleisoftware umfangreich zu nutzen. Beide Anwendungen beinhalten meist mehr Funktionen, als bisher in der Kanzlei zum Einsatz kommt.

Digitale Tools können u. a. in folgenden Bereichen für das Wissensmanagement eingesetzt werden:

1. Zentrale Ablage für Dokumente und Dateien

Basis für das Wissensmanagement ist in der Regel ein zentraler Ablageort für alle Dokumente, Dateien und E-Mails einer Kanzlei. Klassisches Anwendungen für die Dokumentenverwaltung sind Document Management Systeme (DMS). Falls kleine Kanzleien in ihrem Kanzleimanagement-System ein integriertes DMS haben, sollte dieses genutzt werden. Alternativ kann MS SharePoint als zentralen Ablageort dienen. Wichtig ist jedoch, dass wirklich alle Kanzlei-Beschäftigten ihre Dokumente an diesen einen Ort ablegen. Zusätzlich ist ein einheitliches Ablagesysteme erforderlich, um Konsistenz zu schaffen und das Widerfinden von Dokumenten zu erleichtern. Einige DMS haben bereits KI in ihr System integriert, sodass eine automatische Klassifizierung der Dokumente oder die Nutzung eines KI-Chats über die eigenen Bestände im DMS möglich sind.

2. Wissensdatenbanken

Wissensdatenbanken sind zentrale Plattformen, in denen Know-how-Dokument wie z. B. Vorlagen, Vertragsmuster, Checklisten und Formulare abgelegt werden. Neben reinen Text-Dokumenten nehmen Bilder, Grafiken, Audio- und Video-Dateien oder Screencasts an Bedeutung für das Wissensmanagement zu. Auch interne Prozesse können in Wissensdatenbanken dokumentiert, Arbeitsanleitungen, Handbücher und nützliche Links präsentiert werden. Dabei gilt das Prinzip „Done is better than perfect“. Lieber eine stichpunktartige Anleitung oder ein laienhaftes Video als gar keine Dokumentation.

Wissensdatenbanken werden häufig in Verbindung mit einem Intranet oder in Form von Wikis realisiert. Für den Aufbau eines Intranet-Portals eignet sich z.B. MS SharePoint. Gängige Wiki-Software sind Confluence oder Media-Wiki. Ist der Aufbau eines Intranets oder eines Wikis für die Kanzlei zu umfangreich, kann das Kanzlei-Team alternativ Notizbücher in OneNote nutzen, um Wissen gemeinsam zu dokumentieren, und allen Mitarbeitenden verfügbar zu machen.

3. Kollaborationsplattformen

Kollaborationsplattformen wie MS Teams, Zoom oder Slack fördern den Austausch im Team und mit externen Personen durch Chatfunktionen und virtuelle Meetings. In MS Teams können für Projekte und Mandate auch Teams und Kanäle erstellt werden, in denen Dateien geteilt, gemeinsam gechattet und Inhalte abgestimmt werden können. So steckt hinter jedem Teams-Team eine eigene SharePoint-Seite, die für die Mitglieder eines Teams auch als Projekt-/Mandats-Website gestaltet werden kann und auf der neben Dokumenten und Dateien, auch Links, News oder Termine eingestellt werden können.

4. Kontaktverwaltung

Eine zentrale Verwaltung der Kontaktdaten zu Mandantschaft, Lieferanten, Behörden, oder sonstigen Personen erleichtert allen Mitarbeitenden einer Kanzlei die Arbeit. Sie sorgt dafür, dass Kontaktdaten stets aktuell sind und allen Beteiligten zur Verfügung stehen. Darüber hinaus ermöglicht eine zentrale Kontaktverwaltung auch die weitere Nutzung für externes Expertenwissen.

In größeren Unternehmen wird für die Kontaktverwaltung oft ein Customer-Relationship-Management-System (CRM), wie z.B. Salesforce eingesetzt. Für kleine Kanzleien sind CRM-Software zu überdimensioniert. Den meisten Kanzleien steht aber das Stammdaten-System im Kanzleiprogramm oder Outlook zur Verfügung. Dieses sollte für die zentrale Verwaltung der Kontakte genutzt werden.

Die Stammdatenpflege wird oft in Kanzleien vernachlässigt. Fürs Wissensmanagement ist sie aber wichtig. Je detaillierter Mandanten- und Lieferanten-Stammdaten erfasst werden, desto besser können diese Daten fürs Wissensmanagement verwendet werden, z. B. bei der Suche nach externen Experten und Ansprechpartnern.

KI im Wissensmanagement

Künstliche Intelligenz hat das Wissensmanagement revolutioniert. Mithilfe von KI-Tools, kann Wissen nun schneller und einfacher dokumentiert und genutzt werden. Dabei ist KI-Einsatz in Kanzleien nicht neu. Anwendungen wie das Speach-To-Text-Tool Dragon oder KI-gestützte Übersetzungs-Werkzeuge, wie DeepL oder Google Translator, werden schon seit langem im Kanzleialltag genutzt.

Spannender sind die Möglichkeiten, die generative KI-Tools, wie ChatGPT, Gemini oder MS Copilot bieten. Use Cases sind z. B. die Analyse und Zusammenfassung von Texten. Aber auch für die Erstellung von Know-how-Dokumenten, wie z. B. Vertragsmuster, Formularen und Checklisten, können generative KI-Werkzeuge genutzt werden. Der Output ist meist schon gut, muss aber immer noch einmal von einem Juristen oder einer Juristin auf Richtigkeit überprüft werden. Als erster Entwurf sind die Ergebnisse aus ChatGPT & Co. aber bereits eine große Arbeitserleichterung.

Speziell trainierte Rechts-KIs, wie z.B. Noxtua, Harvey oder Legora gewinnen für die Rechtsbranche zunehmend an Bedeutung. Ob sich aber die Lizenzkosten für kleine Kanzleien lohnen, bleibt abzuwarten.

Des Weiteren können generative KI-Tools auch verwendet werden, um interne Prozesse zu visualisieren. Sind diese bereits dokumentiert, kann mit generativen KI-Tools Arbeitsanleitungen, Handbücher oder Checklisten erstellt werden. Auch rollenbasierte Anleitungen (für Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen, für ReFas / Assistenz) sind möglich.

Mithilfe von Text-to-Speach-Tools, wie z. B. NotebookLM können Text-Dokumente in Audio-Dateien umgewandelt werden, und somit eine weitere Wissens-Form generieren.

Fazit: Mit wenig Aufwand zum besseren Wissensmanagement

Auch kleine Kanzleien und Einzelanwälte können mit minimalen Budget und geringen Einsatz ihr internes Wissen in ihrer Kanzlei besser organisieren. Grundsätzlich sollten zunächst einmal die Technologien genutzt werden, die bereits im Unternehmen vorhanden sind. Generative KI-Tools können jetzt schon die Wissensarbeit erheblich erleichtern und werden zukünftig auch für kleine Kanzleien unverzichtbar sein.

Sechs Tipps für effizienteres Wissensmanagement

  1. Vorhandene Software umfangreich nutzen (z.B. Kanzleisoftware oder MS 365).
  2. Stammdaten pflegen.
  3. Ein zentraler Ablageort für alle Dateien und E-Mails der Kanzlei.
  4. Verbindliche Regeln für Dokumentenablage und Dokumentation festlegen.
  5. Lieber eine einfache Dokumentation als gar keine.
  6. Generative KI-Tools für die Erstellung von Vertragsmustern, Vorlagen, Checklisten und Handbücher nutzen.

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Bild: Adobe Stock/Rita
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Anne Jacobs ist Gründerin und Geschäftsführerin der Deep Thoughts GmbH. Sie berät ihre Kund*innen zu den Themen Wissensmanagement, Innovation und Digitaler Transformation. Zuvor war Anne Jacobs über 15 Jahre in Wirtschaftskanzleien tätig, wo sie u.a. für den Bereich Informations- und Wissensmanagement verantwortlich war.

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