Von Arno Lampmann
Was 2017 mit süßen Katzencartoons, den Cryptokitties begann, führte im Jahr 2021 zu einem förmlich explodierenden Non-Fungible-Token-Markt, welcher sich bisweilen zum Milliardengeschäft entwickelt hat. So steigerte sich das Marktvolumen von ca. 2,5 Mrd. USD im ersten Quartal 2021 auf über 60 Mrd. USD Mitte 2022. Dabei erzielte alleine die NFT-Handelsplattform „Opensea.io“ im Februar 2021 bereits ca. 96 Mio. USD Umsatz, der sich innerhalb eines Jahres auf 20 Mrd. USD steigerte. Doch was genau sind „NFTs“ überhaupt? Welche Anwendungsbereiche gibt es für sie? Und wie sind diese rechtlich einzuordnen? Der folgende Artikel beantwortet diese Fragen und verschafft einen Überblick über NFTs.
1. Was sind NFTs und wie funktionieren sie?
Hierfür müssen wir uns zunächst mit der Distributed-Ledger-Technologie beschäftigen, auf der Non-Fungible-Tokens (NFTs) als kryptographische Token basieren und deren mitunter bekannteste Ausprägung die Blockchain ist. Diese stellt eine Datenbank dar, welche sich aus mehreren, miteinander verknüpften Datenblöcken als Datenbankeinträge zusammensetzt. Ein NFT ist ein solcher Datenblock, der einen einzigartigen Datensatz enthält. Dieser setzt sich u.a. aus den einen spezifischen NFT repräsentierenden, verschlüsselten und damit manipulationssicheren Informationen zusammen, beispielsweise dem sog. öffentlichen Schlüssel („Kontonummer“ eines Wallets), der den NFT einem Walletinhaber zuordnet und damit die derzeitige NFT-Inhaberschaft ausweist. Dabei ist ein Wallet eine Art Konto oder auch digitaler Geldbeutel, in welchem sich die „privaten Zugangs-/Zugriffsdaten“ zu dem jeweiligen Kryptotoken befinden, welche es dem jeweiligen Inhaber ermöglichen, über diesen zu verfügen.
Eine NFT-Transaktion führt dazu, dass ein neuer Datenblock entsteht. Der Datenblock enthält dann den öffentlichen Schlüssel zum Wallet des Erwerbers bzw. der Erwerberin sowie spezifische Transaktionsdaten und einen kryptografischen Verweis auf den ihm vorangehenden Block, durch welchen er diesem angehangen wird. Da sich dieser Verweis aus einer einzigartigen Kombination der im vorhergehenden Block enthaltenen spezifischen, verschlüsselten Information zusammensetzt, entsteht eine Verstrickung zwischen den Blöcken, die eine unveränderliche, manipulationssichere Aneinanderreihung der Datenblöcke in Form einer „Blockkette“ (Blockchain) zur Folge hat. Das bedeutet, dass die gesamte Transaktionshistorie lückenlos dokumentiert wird. Kontrolliert werden die Blockchain bzw. die enthaltenen Informationen dezentral durch ein sog. „Peer-to-Peer-Netzwerk“, in welchem Kopien dieser Datenbank auf verschiedenen Servern mehrerer Nutzer und Nutzerinnen dezentralisiert gespeichert sind. Neue Transaktionen werden nur „eingetragen“, wenn die Mehrheit der „kontrollierenden“ Nutzer und Nutzerinnen die Transaktion anhand der im vorhergehenden Block vorliegenden Informationen, wie über die bisherige Inhaberschaft etc. als „rechtmäßig“ verifiziert hat.
2. Zweck und mögliche Anwendungsbereiche
NFTs sind eine Antwort auf folgendes Problem: Digitale Werke lassen sich ohne jeglichen Qualitätsverlust leicht vervielfältigen, sodass deren Originalität im Gegensatz zu (erkennbaren) Kopien realer Kunst keine werthaltige Abgrenzung gegenüber deren digitalen Kopien darstellt. Dort setzt der NFT als Kryptotoken, der einen Wert, einen Anspruch oder ein Recht darstellen kann, an.
Im Gegensatz zu Fungible Tokens, die lediglich irgendeinen bezifferbaren Wert darstellen, welcher gegen (in der Summe) gleichwertig wertreferenzierte Tokens beliebig austauschbar ist und folglich als digitales Zahlungsmittel (Kryptowährung wie Bitcoin, Ether) fungieren, zeichnen sich NFTs nicht durch deren beliebige Austauschbarkeit untereinander, sondern ganz im Gegenteil gerade durch deren jeweilige (technische) Einzigartigkeit aus. Die Einmaligkeit des den NFT repräsentierenden Datensatzes ermöglicht es, jeden beliebigen einzigartigen digitalen oder körperlichen Vermögenswert (z.B. Gemälde, Häuser, Patente, Videos, Internet-Memes, digitale Kunst, Unternehmensanteile) bzw. individuelle Rechte an diesem (Eigentum, Besitz) darzustellen, was schier unbegrenzte Anwendungsmöglichkeiten der sog. Tokenisierung mit sich bringt.
Diese Eigenschaft einer technisch einzigartigen, manipulationssicheren Darstellungsmöglichkeit erzeugt eine digitale Exklusivität mit der Folge, dass sich digitale „Originale“ nun qua „NFT-Echtheits-Zertifikat“, ähnlich der Signatur eines Künstlers auf seinem Kunstwerk, einem Inhaber zuordnen, also gerade von makellosen digitalen Kopien abgrenzen und somit wertbildend authentifizieren bzw. wertsteigernd handeln lassen. Dabei stellt die auf der Blockchain unveränderbar verstrickte und damit manipulationssichere Aneinanderreihung der Blöcke eine hohe Datenintegrität sicher, welche einen diebstahlsgeschützten und damit authentischen Handel ermöglicht. Dadurch wäre es bei der Abbildung ganzer Patent- und Grundbuchregister auf der Blockchain auch denkbar, sogar den professionellen, tokenisierten Handel mit Patenten und Grundstücken vollständig digital zu erschließen.
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3. Rechtliche Herausforderungen
Nun zu den rechtlichen Herausforderungen, die sich im Zusammenhang mit NFTs ergeben. Zahlreiche Rechtsfragen sind noch nicht abschließend geklärt, weswegen sich mit deren rechtlicher Einordnung auf Grundlage bestehender Regelungen auseinandergesetzt wird.
3.1. Zivilrechtliche Einordnung des NFTs
3.1.1 Eigentumsrecht
Ausgangspunkt ist das absolut, also gegenüber jedermann, wirkende Eigentumsrecht (§ 903 BGB). Da dieses an das Sacheigentum, also an körperliche, räumlich abgrenzbare und greifbare Gegenstände anknüpft (§ 90 BGB), kommt alleine eine analoge sachenrechtliche und damit eigentumsrechtliche Anwendbarkeit auf digitale NFTs in Betracht, wie sie generell schon allgemein für Kryptotoken diskutiert wird und für welche eine planwidrige Regelungslücke und zugleich eine vergleichbare Interessenlage hinsichtlich der Eigentumsfähigkeit von NFTs bestehen müsste. Eine Regelungslücke liegt vor, denn NFTs werden bisher von keiner Norm direkt erfasst. Deren Planwidrigkeit erfordert, dass der Gesetzgeber NFTs durch seine eigentumsrechtlichen Normen mitreglementiert hätte, wenn er diese mitbedacht hätte.
Einerseits kann man annehmen, dass die aktuelle Regelungslücke nur aufgrund der aktuellen und dynamischen Entwicklung von Kryptotoken besteht, wegen der sich der Gesetzgeber zeitlich schlicht noch nicht eigentumsrechtlich mit diesen befassen konnte bzw. diese spezifisch geregelt hat. Deswegen kann aufgrund des Fehlens dahingehender Regelungen auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine eigentumsrechtliche Regulierung entschieden hat. Aufgrund grundlegender Unterschiede zwischen Kryptotoken und Software, wie insbesondere der fehlenden Kopierbarkeit aufgrund der Blockchain-Verankerung, lässt sich auch aus der Entscheidung gegen eine sachenrechtliche Regelung von Software nichts anderes folgern. Auch die vergleichbare Interessenlage kann angenommen werden, denn das Schutzbedürfnis eines Kryptotokeninhabers ist demjenigen eines Sacheigentümers nahe.
Indem jedem NFT durch die Blockchaintechnologie ein einzelner Berechtigter zugeordnet und eine hinreichende Transparenz erfüllt wird, wird auch dem Spezialitäts- und Publizitätsprinzip entsprochen, sodass NFTs dem § 90 BGB entsprechend als „Sachen“ angesehen werden können. Dies hätte zur Folge, dass sich die Übertragbarkeit von NFTs nach den §§ 929 ff. BGB analog richten würde.
Andererseits kann man dem entgegenhalten, dass der sachenrechtliche Typenzwang die Anwendbarkeit ausschließlich auf die gesetzlich vorgegebenen Gestaltungen beschränkt und dass nach derzeitiger Rechtsprechung kein Eigentum an Daten bzw. digitalen Werken besteht. Demnach lassen sich Kryptotoken gerade nicht analog § 90 BGB als „Sache“ qualifizieren und sind folglich auch nicht eigentumsfähig. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass hier lediglich die Anwendbarkeit bestehenden Rechts ausgeweitet und nicht etwa neue, gesetzlich unbekannte dingliche Rechte geschaffen werden sollen. Der numerus clausus gilt gerade nicht hinsichtlich der Bestimmung des Umfangs des Sachbegriffs an und für sich, um den es bei der Problematik der hiesigen Analogie im Ursprung geht.
Sollten Token dennoch keine Sachen im Sinne des § 90 BGB analog sein, kommt eine Übertragung nach den Regeln der §§ 398 ff. BGB als Forderung in Betracht. NFTs, die mit einem physischen Werk verbunden sind, also das Eigentum an dem verbundenen Asset widerspiegeln sollen, könnten zudem ein sonstiges Recht nach § 413 BGB darstellen, die nach §§ 413, 398 S. 1 BGB übertragen werden. Dabei kann der erforderliche Abtretungsvertrag wohl nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) schon durch die beiderseitige Autorisierung einer bestimmten Tokentransaktion durch schlüssiges Verhalten konkludent zustande kommen.
3.1.2 „Sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB
Da die Einordnung einer Rechtsposition als „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB eine Vergleichbarkeit mit den dort ausdrücklich aufgezählten Rechtsgütern erfordert, verlangt eine dahingehende Qualifikation von NFTs eine eigentumsähnliche Stellung. Diese kann gegeben sein, weil das NFT jederzeit einer bestimmten Walletadresse zugewiesen ist, welche ausschließlich der Zugriffsmöglichkeit des Inhabers oder der Inhaberin unterliegt, sodass das NFT immer eindeutig der Person des Inhabers zugeordnet werden kann (Zuordnungsfunktion). In dem Wallet befinden sich zudem die für eine Verfügung über das NFT zwingend erforderlichen Zugangsdaten in Form eines privaten Schlüssels, sodass allein dessen Inhaber:in im Stande ist, bezüglich des NFTs zu verfügen. Er kann also jeden Dritten von dessen Nutzung aufgrund seiner Befugnisse, ähnlich der dem berechtigten Besitzer immanenten Verfügungsgewalt, ausschließen (absolute Ausschlussfunktion).
3.1.3 Urheberrecht
Für einen urheberrechtlichen Schutz müsste es sich bei NFTs um persönliche, geistige Schöpfungen im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG handeln, die auf einer menschlichen Gestaltung beruhen. NFTs sind jedoch Dateneinheiten, die mittels eines implementierten Programmcodes auf der Blockchain (Smart Contract) rein maschinell verselbstständigt durch einen Computer generiert und ggf. auch auf einen anderen Inhaber ebenso automatisiert übertragen werden. Zudem bilden sie zugleich nur einen Vermögensgegenstand bzw. dessen Eigentumsverhältnisse auf der Blockchain ab. Sie sind gerade keine menschliche, geistige Schöpfung und unterliegen ähnlich der Einordnung von Kryptowährung folgerichtig nicht dem Urheberrechtsschutz.
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Bild: Adobe Stock/elenabsl©
Rechtsanwalt Arno Lampmann ist Partner der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum (LHR) und konzentriert sich als Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz vor allem auf das Marken-, Medien- und Wettbewerbsrecht. Er unterstützt Unternehmen und Persönlichkeiten, insbesondere Banken, Emissionshäuser und Produktentwickler des Kapitalmarkts bei der schnellen und effektiven Rechtedurchsetzung und dem Schutz ihres guten Rufs. Er ist Mitautor des unter anderem von Herrn Professor Thomas Hoeren herausgegebenen Handbuchs Multimedia-Recht, bei Recht Am Bild und Legal Tribune Online.