New Work

Kann Legal New Work?

Von Jennifer Pauli

Die Digitalisierung lässt sich nicht mehr aufhalten und gestaltet alle Bereiche des öffentlichen und beruflichen Lebens um. Die Covid-19-Pandemie hat diese Entwicklung noch beschleunigt. In einigen Bereichen lassen sich digitale Dienstleistungen gar nicht mehr wegdenken, wie beim Online-Shopping. In anderen Bereichen, z. B. in der Verwaltung oder bei den Gerichten, sieht man die Digitalisierungswelle gerade erst kommen. Denn die Umsetzung ist komplex und gestaltet nicht nur Infrastruktur, sondern auch Kommunikation, Arbeitsumfeld und Arbeitsbedingungen um. New Work wird in dem Zusammenhang oft als Lösung genannt. Doch wie kann das Konzept aus den 80er-Jahren die Arbeitswelt von heute verbessern? Und inwiefern eignet sich New Work für die Anwaltspraxis und das Kanzleiumfeld?

Fest steht, dass sowohl die Digitalisierung, als auch die damit einhergehende Automatisierung, die Arbeitswelt und damit auch den Arbeitsplatz von Rechtsanwält:innen wandelt. Wie diese Veränderung aussieht, kann jeder Rechtsanwalt bzw. jede Rechtsanwältin und jede Anwaltskanzlei für sich entscheiden. Um zukunftsfähig zu bleiben, gilt es jedoch, die Chancen frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln. Neben cloudbasierter Kanzleisoftware und neuen Arbeitsverträgen für das Homeoffice, muss auch eine neue Arbeitskultur etabliert werden. Denn jede äußere Veränderung benötigt auch eine innere Transformation. New Work kann dafür die Leitplanken bieten.

Die Basics über New Work

Das Konzept der „neuen Arbeit“ geht auf den Sozialphilosophen Prof. Dr. Frithjof Bergmann zurück. Bergmann legt seinem Konzept für die neue Ära der Lohnarbeit die drei Werte Selbstständigkeit, Freiheit sowie Teilhabe an der Gemeinschaft zugrunde und plädiert für mehr sinnstiftende Arbeit, die die Bedürfnisse jedes einzelnen Arbeitnehmenden berücksichtigt. Die Mitarbeitenden werden damit zum höchsten Gut jedes Unternehmens und sollten mit Blick auf den Fachkräftemangel im Mittelpunkt des zukünftigen Handelns stehen. Folglich ist New Work mehr als nur eine neue Technik, es ist Synonym für innovative Ansätze der Arbeitsgestaltung.

Arbeit wird zu einer sinnstiftenden Tätigkeit, durch die der Mensch sich verwirklichen kann.

New Work ist kein Programm, sondern eine Einstellung zu Unternehmenskultur und Führung.

Diese moderne Arbeitshaltung fordert von Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen Raum für Selbstverwirklichung, Flexibilität, digitale Kompetenzen, Hierarchie-Abbau, neue Führungsstile und vor allem Vertrauen. Zunächst scheinen diese Forderungen dem gängigen Arbeitsablauf in Anwaltskanzleien und dem Juristenalltag gänzlich zu widersprechen. Doch beim näheren Hinsehen lassen sich einige Gemeinsamkeiten und Chancen identifizieren.

Vertrauen ist die Basis

Rechtsanwält:innen und Kanzleien bieten immaterielle Dienstleistungen an. Mandanten und Mandantinnen müssen also auf die Qualität der juristischen Arbeit vertrauen. Dieses Vertrauensverhältnis gilt es noch weiter zu stärken, indem die Bedürfnisse der Mandant:innen nach digitaler Kommunikation, Schnelligkeit, Effizienz und Bequemlichkeit erfüllt werden. Das wiederum funktioniert nur, indem das gesamte Kanzlei-Team sich auf neue digitale Kommunikationswege einlässt und in der Lage ist, gemeinsam Veränderungen voranzutreiben. Dafür braucht es zum einen eine gute Zukunftsvision, an der sich alle Mitarbeitenden orientieren können, und zum anderen eine digitale Strategie, die alle Mitarbeitenden auf dem Weg in die digitale Zukunft mitnimmt und auf deren Bedürfnisse, wie es bei New Work gefordert wird, eingeht. Denn Ängste - wie Arbeitsplatzverlust durch Automatisierung von administrativen Tätigkeiten, oder Überforderung mit neuen Technologien und Software - existieren und müssen abgebaut werden, wenn eine Rechtsanwaltskanzlei zukunftsfähig bleiben will.

Jetzt die Leitplanken für die Zukunft setzen

Wie kann nun das Werteverständnis von New Work dabei helfen, mehr Vertrauen zu Mandanten und Mandantinnen aufzubauen, attraktiver für neue Anwaltstalente zu sein und krisenfester zu werden? Ganz konkrete Maßnahmen sind:

  • Software, Hardware & Cloud
    Homeoffice und bedürfnisgerechte, flexible Arbeitszeiten sind nur mit entsprechender technischer Ausstattung möglich. Mit der richtigen Kanzleisoftware, mobiler Hardware und einer Cloud-Lösung kann mobil gearbeitet werden. Der Vorteil von ortsunabhängigem Arbeiten ist, dass unzählige Stunden im Pendlerverkehr effizienter genutzt werden können und alle Mitarbeitenden mehr Motivation durch selbstbestimmteres Arbeiten haben.
  • Hierarchien überdenken
    Rollen und Verantwortungsbereiche sind wichtig in einem Unternehmen, um Struktur zu geben, Komplexität zu reduzieren und Kompetenzen effektiv einzusetzen. Im Zuge eines Veränderungsprozesses ist es allerdings ratsam, das aktuelle Organigramm oder die Teamzusammensetzung zu überprüfen und z. B. technologisches, digitales Know-how ins Team zu holen, Weiterbildungen anzubieten oder neue Rollen zu schaffen.
  • Zeit für das, was zählt
    Legal Tech-Tools implementieren. Denn Standardisierung befreit Jurist:innen von Routineaufgaben. Die frei gewordenen Ressourcen können in die Kernkompetenzen von Anwält:innen, in ihre hochwertige Beratungsleistung, gesteckt werden. Um sowohl innerhalb der Kanzlei, als auch mit Mandant:innen langfristig hervorragende Arbeit zu leisten, kommt man an der Einführung von Legal Tech-Tools nicht mehr vorbei. Nur so kann zukunftsgerichtet Erfolg und Mandanten-Vertrauen gesichert werden.

Fazit: Zeit sparen und sich auf das Wesentliche fokussieren

Standardisierte Arbeitszeiten und feste Arbeitsorte lösen sich in unserer schnelllebigen Zeit immer mehr auf. New Work gibt den Rahmen für neue Arbeitsweisen, die im Zuge der Digitalisierung unvermeidbar sind und ermöglicht es, sich als attraktiver Arbeitgeber, bzw. attraktive Arbeitgeberin zu positionieren und im hoch kompetitiven Mandantenmarkt Wettbewerbsvorteile zu generieren. Die konsequente Umsetzung von New Work-Ansätzen und einer digitalen Strategie (Legal Tech-Tools, Kanzleisoftware, cloudbasierte Unternehmenslösung), bringt für Rechtsanwaltkanzleien nur Wettbewerbsvorteile. Automatisierte Prozesse schaffen Effizienz und Transparenz - und moderne Arbeitsweisen machen eine Kanzlei attraktiv für Bewerber:innen, Mandant:innen und Mitarbeiter:innen.

Foto: Adobe Stock/©oatawa
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Die Autorin ist Agile Coach, Innovationsberaterin und Expertin für Actaport. Jennifer Pauli lebt in New Work. Ob „Working out Loud“, KI oder Design Thinking - kein Business-Trend geht an ihr vorbei. Mit ihrem breiten Methodenwissen entwickelt sie agile Prozesse für DAX-Konzerne, Mittelstand und Start-ups. Ihr Wissen gibt sie als Dozentin auch an Studierende weiter.

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