Legal Tech-Lösung

Mit drei Leitfragen zur optimalen Legal Tech-Lösung

Von Heike Rehm und  Benedikt Eger

Petra Mayerberg ist Partnerin in einer mittelständischen Kanzlei mit 25 Berufsträger:innen. Seit längerer Zeit beobachtet sie interessiert den Markt für Legal Tech-Tools und beschäftigt sich mit den Potenzialen für ihre Kanzlei. Insbesondere im Vertragsmanagement sieht sie einige Optimierungsbedarfe. Erste Rücksprachen mit Kolleg:innen ergaben, dass sie für die Einführung eines neuen Tools auf breite Unterstützung zählen kann. Doch nun steht Frau Mayerberg vor der Herausforderung, wie sie das optimale Tool für die Kanzlei am Markt findet und welche Stellschrauben bereits während der Tool-Auswahl erfolgsentscheidend sind.

Diese Aufgabe möchten wir in diesem Blogartikel aufgreifen und Ihnen drei zentrale vorbereitende Leitfragen für die erfolgreiche Auswahl einer Legal Tech-Software, beispielsweise für das Vertragsmanagement, an die Hand geben.

Leitfrage 1: Ein Perspektivwechsel

Selbstverständlich soll eine neue Software aktuelle Bedarfe lösen. Dennoch ist es wichtig, dass sich Ihre Investition auch in Zukunft noch lohnt. Deshalb wagen Sie einen Perspektivwechsel und beantworten Sie im ersten Schritt die nachfolgende Frage – beispielsweise in einem gemeinsamen Workshop mit Ihren Kolleg:innen.

„Wie sieht der optimale Ablauf [1] aus Perspektive unserer wichtigsten Mandant:innen aus und wo sehen wir das größte Optimierungspotenzial, um unsere Mandantschaft noch zufriedener mit unseren Leistungen zu machen?“

[1] Sie setzen den Fokus hier auf den Bereich, für den Sie ein neues Tool einführen möchten. Beispielsweise das Vertragsmanagement.

Gehen Sie hierzu den derzeitigen Ablauf Schritt für Schritt aus Perspektive Ihrer Mandant:innen durch und notieren Sie die Schwachstellen. Immer im Fokus sollte hierbei sein, was das eigentliche Ziel der Mandantin bzw. des Mandanten ist. I. d. R. steht nicht der Vertrag im Fokus, sondern ein Business-Ziel. Selbstverständlich können Sie Ihre Mandant:innen in diesen Schritt einbinden.

Mit der Einführung einer neuen Lösung gilt es nicht, alle Bedarfe zu erfüllen, sondern nur die relevantesten im Fokus zu haben.

Leitfrage 2: Start at the end

Blicken Sie nun in die Zukunft: Eine einfache und wirksame Methode, die den Grundstein für erfolgreiche Blockbuster, Unicorn Start-ups und Ihre Tool-Einführung legt.

Beantworten Sie dafür gemeinsam mit Ihren Kolleg:innen diese Frage:

„Was wird unser größter Erfolg sein, den wir mit dem Vorhaben erreichen wollen? Wie sieht unser Happy End aus?“

Diese Fragestellungen wirken vielleicht etwas ungewöhnlich, wenn Sie sich gerade mit ganz konkreten Anforderungen beschäftigen. Durch die Beantwortung werden Sie sicherlich auf einige grundsätzliche Stellschrauben für Ihren Erfolg stoßen. Zudem können Sie erarbeiten, wie eine schrittweise Entwicklung vom heutigen Ausgangspunkt zur Zukunftsvision aussehen kann und Sie können gemeinsam mit den Tool-Anbietern diskutieren, wie die Lösung Sie auf Ihrem Weg optimal begleiten kann.

Leitfrage 3: Anwendungsfälle

Nach einem Perspektivwechsel und einer Reise in die Zukunft, gilt es nun noch, ganz konkrete Aspekte für die Auswahl eines optimalen Tools zu evaluieren. Hierfür tauchen wir tiefer in den Anwendungskontext und Ihre vorhandene Tool-Welt ein.

„Welche ganz konkreten Anwendungsfälle gilt es durch die Einführung einer neuen Legal Tech-Lösung zu optimieren?“

Zur Beantwortung dieser Frage beobachten Sie am besten für einige Woche Ihre täglichen Arbeitsabläufe und notieren sich die Anwendungsfälle. Hier ein Beispiel für den syntaktischen Aufbau einer Anforderung:

Als Partnerin möchte ich mit einem Klick die Adressdaten meiner Mandant:innen aus dem CRM in das Vertragsmuster einfügen, um die heutigen manuellen Arbeitsschritte zur Überführung zu eliminieren und dadurch effizienter zu werden.

Häufigkeit und Dauer: 1 x pro Tag, 10 Minuten

Die zugehörige Syntax:

Als [Rolle] möchte ich [Zielbild] [beteiligte Systeme], um [Behebung Problem, Zielbild].
[Häufigkeit] [Dauer]

Selbstverständlich können Sie die Syntax auf Ihre Bedarfe hin anpassen. Im Kern geht es darum, zu verstehen, wie Sie sich die zukünftigen Arbeitsschritte optimal vorstellen und einen Überblick darüber zu bekommen, welche Systeme aus Ihrer vorhandenen Kanzleilandschaft verknüpft werden müssen. In unserem Beispiel das CRM-System mit einer Vertragsmanagementlösung. Die Formulierung in Anwendungsfällen setzt Ihre Anforderungen in einen konkreten Kontext.

Zudem erarbeiten Sie mit diesem Ansatz einige Grundlagen für eine wirtschaftliche Betrachtung der Investition, da Sie beispielsweise konkrete Einsparungspotenziale durch die Quantifizierung der manuellen Schritte betrachten können. Sammeln Sie die Anforderungen am besten aus Perspektive aller Beteiligten (Assistenz, Associates, Partner:innen, Mandant:innen, …) und priorisieren Sie diese auf Grundlage der Antworten der vorhergehenden Fragen.

Technologisches Umfeld

Neben den drei Leitfragen ist es empfehlenswert, sich mit dem technologischen Umfeld zu beschäftigen, in dem die Lösung eingesetzt werden soll. Dazu müssen Sie nicht tief in die Technik einsteigen, sondern eher von den beteiligten Stakeholdern Rahmenbedingungen aufnehmen, die dann an die Tool-Anbieter weitergegeben werden.

Die wichtigsten Themen sind dabei Sicherheit und Datenschutz sowie die Frage, ob die neue Lösung mit bereits bestehenden anderen Tools zusammenarbeiten soll, um notwendige Schnittstellen berücksichtigen zu können.

Mit Strategie zur passenden Legal Tech-Lösung

Petra Mayerberg hat sich mit ihren Kolleg:innen ungefähr einen Monat Zeit genommen, die drei Fragen zu beantworten und das technologische Umfeld festzuhalten. So entstand aus Perspektive der Kanzlei ein gemeinsames Bild, welche Ziele durch die Einführung einer neuen Lösung unterstützt werden sollen. Zudem zeigte sich, welche Aspekte für die Auswahl der optimalen Legal Tech-Lösung am relevantesten sind.

Hierdurch konnten potenzielle Tool-Anbieter deutlich besser angefragt und bewertet werden und die Anbieter konnten ihre Mehrwerte mit Blick auf die konkreten Bedarfe der Kanzlei optimal herausstellen.

Frau Mayerberg begeisterte vor allem, wie schnell intern Einigkeit herrschte, welche Legal Tech-Lösung die Kanzlei optimal in die Zukunft begleiten wird, und heute zeigt sich, dass es die richtige Entscheidung war.

Foto: Adobe Stock/©Song_about_summer
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Heike Rehm ist Managing Director bei Unterschied & Macher, begleitet Unternehmen seit über 15 Jahren strategisch und hands-on in Digitalisierungsvorhaben. Ihr Fokus liegt auf Strategiethemen rund um Prozessdigitalisierung, Business Innovationen und dem Aufbau digitaler Plattformen.

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Benedikt Eger ist Managing Director und Head of Technology bei Unterschied & Macher, hat mittlerweile jahrzehntelange Expertise in der digitalen Produktentwicklung und berät Kunden aus Legal und Finance. Sein Fokus liegt dabei immer darauf, die richtige Lösung für die aktuelle Challenge zu finden – sei es durch den Einsatz eines existierenden Produktes oder individuelle Implementierung.

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