Interview mit Legal-Tech Experte Martin Fries: Juristen brauchen unternehmerisches Denken

Von Martin Fries

Die Diskussion um das Trendthema Legal Tech differenziert sich immer weiter aus, sagt Jurist und Legal Tech-Experte Martin Fries. Als Organisator der Legal-Tech-Tagung am 01. September an der Universität Mannheim verrät er, welche Strategien erfolgreiche Anwälte in Zukunft brauchen werden.

Legal Tech ist zurzeit das Nr.1-Thema der deutschen Rechtsbranche. Was war das Besondere an der Tagung in Mannheim?

In den vergangenen Jahren gab es viele Veranstaltungen, bei denen der Begriff Legal Tech erst einmal erklärt wurde. Inzwischen sind wir einen Schritt weiter und können uns konkret bestimmte Facetten der Thematik vornehmen. Wir haben das Thema in Mannheim aus der Warte des Zugangs zum Recht betrachtet. Da geht es vor allem um die Verbraucherperspektive: Wie kann Legal Tech helfen, geringwertige Forderungen ohne großen Aufwand durchzusetzen? Für die Rechtspolitik ist das eine der drängendsten Fragen unserer Zeit.

Bei der Tagung gab es drei Themenbereiche: Legal Tech in der Rechtspraxis, das Zusammenspiel mit anderen Konfliktlösungsverfahren und Smart Contracts. Welches dieser Themen ist für die Umsetzung von Legal Tech für Anwälte am wichtigsten?

Da tue ich mich schwer, einen Favoriten zu benennen. Anwälte müssen wissen, mit welchen innovativen Rechtsdienstleistern sie konkurrieren, um nicht technologisch den Anschluss zu verlieren. Zudem müssen Anwälte im Interesse ihrer Mandanten auch eine Ahnung davon haben, welche Alternativen zum klassischen Gerichtsverfahren sie ansteuern können. Und schließlich schadet es sicher auch nicht, wenn sie abschätzen können, wie ihre Mandanten bei der Vertragsgestaltung Transaktionskosten vermeiden können.

Was nehmen Sie aus der heutigen Veranstaltung mit? Welche Erkenntnisse ziehen Sie aus den Vorträgen?

Tatsächlich ist mir jetzt noch klarer als zuvor: Bei der Rechtsdurchsetzung geben diejenigen Juristen den Takt an, die unternehmerisch denken. Und davon gibt es weniger als man vielleicht meint. Unternehmerisches Denken wird in der juristischen Ausbildung stark vernachlässigt, obwohl es Kernaufgabe eines Rechtsanwalts ist, seinem Mandanten unternehmerisch kluge Entscheidungen zu empfehlen. Diejenigen Anwälte, die gleichwohl über diese Gabe verfügen, suchen heute nach häufig auftretenden Fällen, akquirieren und bearbeiten diese mit technischer Hilfe und verdienen damit eine Stange Geld. Natürlich ist auch in der Zukunft noch der klassische Anwaltstyp gefragt, der den Mandanten sein Ohr leiht (um nicht zu sagen: vermietet). Aber dieser Markt wird enger werden.

Wie ist Ihre Prognose: Wo wird die deutsche Rechtsbranche in den nächsten zehn Jahren sein?

Ich wage die optimistische Vorhersage, dass der elektronische Rechtsverkehr mit den Gerichten im Jahr 2027 einigermaßen funktionieren wird. Rechtsanwälte werden sich immer weiter spezialisieren und ihre Dienste noch mehr online und bundesweit vermarkten. Außerdem erwarte ich, dass die Rechtsschutzversicherer in den kommenden Jahren ihre Prozessrisikoanalysen erheblich weiterentwickeln und ihre Tarife weiter ausdifferenzieren. Womöglich wollen manche Kunden gar nicht das Komplettpaket, sondern vor allem eine Rechtsberatung mit strategischen Hinweisen, quasi Hilfe zur Selbsthilfe. Wenn es dafür einen Bedarf gibt, könnten in den Städten vielleicht sogar Erstberatungscenter entstehen. Ein Münchener Jurist hat vor einigen Jahren das erste Zahnarztcenter gegründet und „Alldent“ genannt. Vielleicht hebt ja bald jemand ein „Alright“-Center aus der Taufe...

Den gesamten Vor-Ort-Bericht der Legal Tech-Tagung an der Uni Mannheim können Sie hier nachlesen.

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Martin Fries ist Privatdozent an der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des Bürgerlichen Rechts, des Zivilprozessrechts und des Anwaltsrechts. Fries ist Diplom-Volkswirt und regelmäßig als Mediator in erbrechtlichen und wirtschaftsrechtlichen Fallgestaltungen tätig.

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