digital kanzleirganisation

Digitale Kanzleiorganisation für Einzelanwälte und Einzelanwältinnen

Vier Schritte für die erfolgreiche Umsetzung


Von Viviane Schrader

Als Einzelanwalt oder Einzelanwältin steht man im Kanzleialltag vor besonderen Herausforderungen. Dem großen Vorteil, selbstbestimmt ohne Abstimmung mit
weiteren Berufsträgern tätig zu sein, stehen manche Nachteile gegenüber, die, soweit sie die Kanzleiorganisation betreffen, jedoch durch unterschiedliche technische Möglichkeiten gelöst werden können. Dieser Beitrag stellt kompakt Ideen und Anregungen vor, wie Sie Ihre kleine Kanzlei optimal (digital) organisieren.

1. Selbstständigkeit bedeutet gerade nicht immer und ständig!

Der Charme der Einzelkanzlei liegt u. a. darin, dass Sie gänzlich frei sind zu entscheiden, wann und wo Sie arbeiten möchten.

Die Frage, ob Sie tatsächlich „in“ der Kanzlei arbeiten müssen, stellt sich kaum, wenn Sie die Kanzleiorganisation konsequent digital aufstellen. Denn nur dann sind Sie wirklich mehr oder weniger frei, den Arbeitsort tatsächlich zu wählen. Näheres hierzu weiter unten.

Selbstständigkeit als Einzelanwalt oder -anwältin bedeutet gerade nicht, immer erreichbar zu sein und sich an sieben Tagen in der Woche um die Kanzlei kümmern zu müssen. Klug ist es, die Bürozeiten so festzulegen, dass fokussierte und ungestört konzentrierte juristische Arbeit möglich ist. Sie brauchen nicht täglich von acht bis 19 Uhr telefonisch erreichbar sein. Legen Sie mit Blick auf Ihre Mandantenstruktur passende Zeiten fest, die Ihnen z. B. freie (Arbeits-)Nachmittage ermöglichen und jeden Morgen z. B. bis neun oder zehn Uhr Raum für Organisatorisches (Terminplanung, Postbearbeitung, Buchhaltung und Abrechnung – sofern noch nicht outgesourct – Fristenmanagement, Recherche/Wissensvermittlung etc.) lassen.

Mandanten und Mandantinnen, die Sie erreichen wollen, werden dies per E-Mail oder über ein Kontaktformular auf der Homepage tun. Der Vorteil liegt darin, dass Sie solche Anfragen nicht ad hoc beantworten müssen (da Sie nämlich ansonsten das Telefongespräch direkt angenommen hätten), sondern sich gezielt der Anfrage widmen und im Rahmen Ihrer Tagesstruktur darauf antworten können.

Eine von Anfang an gezielte Tages- und Wochenplanung ist das A und O gesunder Arbeitsstrukturen. Widerstehen Sie der Idee, wirklich jederzeit für Ihre Mandantschaft da zu sein und der Angst, ein besonders lukratives Mandat allein deswegen zu verlieren, weil zum „falschen“ Zeitpunkt Ihr Telefon nicht besetzt war.

2. Ohne Netz geht nichts – wie ihre Mandantinnen und Mandanten zu Ihnen findet

Sorgen Sie von Anfang an für gute Sichtbarkeit, Auffindbarkeit und Online-Erreichbarkeit Ihrer Kanzlei. Sie machen sich dadurch unabhängig von örtlichen Marktgegebenheiten und Ihre Kanzlei kann bundesweit Aufmerksamkeit erzielen und Mandanten und Mandantinnen gewinnen.

Unerlässlich für den ersten Eindruck und die Entscheidung, ob Sie eine Mandatsanfrage erreicht, ist eine professionell gestaltete Homepage sowie die Auffindbarkeit des Internetauftritts.

Tipp: Für die Auffindbarkeit ist es essenziell, wenn Sie wissen, nach was potenzielle Mandantinnen und Mandanten suchen und was Sie mittels Ihrer Homepage anbieten wollen. Nur, wenn aufgrund von Suchanfragen Ihre Kanzlei vorgeschlagen und tatsächlich auch kontaktiert wird, funktioniert Ihr digitales Marketing. Hierzu sollten Sie sich – ggfs. mit
Hilfe von Marketingexperten – vor Augen führen, welche Keywords für Ihre Mandantenzielgruppe relevant sind. Diese Keywords bringen Ihre Kanzlei mittels Suchmaschinenoptimierung (SEO) auf die vorderen Plätze bei entsprechenden Suchanfragen. Die Reichweite können Sie z. B. mittels Google Keyword Planner oder über Google Trends testen.

Die Investition zahlt sich in mehrfacher Hinsicht aus. Nicht nur, da Sie mit der Homepage ein modernes Aushängeschild erhalten. Sie können durch kluge Entscheidungen bereits Weichen für digitale Kommunikationswege mit Mandanten stellen - und schaffen so Wachstum bzw. Perspektive. Eine Agentur für digitales Marketing kann Sie dahingehend beraten, welche Tools in die Seite integrierbar wären und für Ihr digitales Business und deren Bekanntmachung wichtig sind. Dazu kann z. B.

  • die Integration eines Kalenders gehören, in dem ein neuer Mandant sich direkt für ein Erstgespräch einbuchen kann (App über: youcanbook.me),
  • ein Downloadbereich für Informationen oder eigene Veröffentlichungen (die dann wiederum direkt über ein Bezahlsystem abgerechnet werden können),
  • eine Seminarübersicht, über die Interessenten Buchungen vornehmen können
  • die „Bestellung“ von Online-Erstberatungsgesprächen
  • die Bereitstellung eines Mandantenzugangs zur digitalen Handakte (z. B. „WebAkte“ von e.Consult)
  • v. m.

Es gibt viel Potenzial und berufsrechtlich auch viele erlaubte Möglichkeiten, sich auf der eigenen Homepage werbend darzustellen. Sie müssen nur genutzt werden.

3. Dem Papier den Garaus machen – Standardisierbarkeit als Grundlage für digitale Prozesse

Wenn Sie Ihre Kanzlei gleich von Beginn an auf digitale Füße stellen, liegt hierin großes Potenzial. Der Vorteil von digitalen Lösungen: Man kann wirklich überall dort arbeiten, wo ein Zugang zum Internet möglich ist, die Prozesse sind schlank und standardisiert und die Kommunikation mit Mandanten, Dienstleistern und Dritten ist problemlos in Echtzeit möglich.

Hinweis: Ein digitales Büro ist zunächst kostengünstiger, weil

  • es räumlich kleiner sein kann (möglicherweise genügt ein Co-Working-Space bzw. ein Büroraum zur Untermiete, um einen Kanzleisitz zu begründen),
  • kein Archiv für abgelegte Papierakten notwendig ist – ebenso keine extra Konferenzzimmer für persönliche Besprechungen,
  • und zudem Papier, Aktendeckel, Briefumschläge, Toner, Drucker, Porto u. v. m. eingespart wird.

Dafür kosten Lizenzen, Hardware, Serverleistung, IT-Beratungen, Cybersicherheit usw. nicht unerheblich Geld. Wo auf der einen Seite Kosten reduziert werden können, fallen auf der anderen Seite auch andere, neue Kosten an. Eine digitale Kanzlei gibt es nicht zum Spartarif. „Digitalsein“ bedeutet vielmehr eine kluge Investition in die Zukunftsfähigkeit der Kanzlei – die ihren berechtigten Wert hat.

Zur Frage, welche Prozesse digitalisiert und optimiert werden können, kann geantwortet werden: jeder Ablauf, der in der Kanzlei als Tätigkeit regelmäßig mehr als einmal ausgeführt werden muss.

Tipp: Es ist hilfreich zu überlegen, welche Tätigkeiten täglich anstehen und üblicherweise für die Mandatsbearbeitung von der Anbahnung über die Aktenanlage/Stammdatenverwaltung und das Dokumentenmanagement bis hin zur Abrechnung und Archivierung der Mandate notwendig sind. Dabei ist neben der Auflistung der Tätigkeiten zudem zu vermerken, ob einzelne Tätigkeiten tatsächlich von einem Juristen bzw. einer Juristin vollzogen werden müssen, oder durch andere Personen erledigt werden können.

Von Anfang an sollten Medienbrüche vermieden werden. Das bedeutet, dass es möglichst keine Prozesse gibt, in denen entweder Papierdokumente gescannt oder Dateien ausgedruckt werden. Für die Mandatsanbahnung sollte darauf verwiesen werden, dass Mandanten z. B. mittels Kontaktformularen Dateien zur Mandatsbearbeitung einreichen können und die Kommunikation im laufenden Mandat durchweg per verschlüsselter E-Mail oder mittels Zugang zur elektronischen Handakte erfolgt. Abrechnungen, die an Mandanten gestellt werden, können ebenfalls direkt als Dateien verschickt werden. Die intern erzeugten Rechnungsdateien können z. B. auf diese Weise direkt von der Buchhaltung genutzt werden. Verknüpft man dann noch das Kanzleikonto, so ist z. B. die Zuordnung und Buchung von Zahlungsein- und -ausgängen fast automatisch möglich.

Die Kanzlei als Rechnungsempfänger sollte so aufgestellt sein, dass sämtliche Rechnungen automatisiert als PDF-Dateien eingehen und verarbeitet können (z. B. vom Hostinganbieter, für Bestellungen, Lizenzen, Energielieferungen usw.).

Tipp: Unterschiedliche Fachsoftware für Anwaltskanzleien bietet auch für Einzelanwälte und Einzelanwältinnen gute Lösungen, die den Kanzleialltag digital haftungssicher abbilden. Es lohnt sich ein Vergleich von Anbietern je nach individuellen Anforderungen, die Sie an die Software stellen. Vor Anschaffung einer Software sollte unbedingt eine Testphase erfolgen. Im besten Fall kann man zudem noch Gespräche mit Kanzleien führen, die eine bestimmte Software bereits nutzen, um auf diese Weise authentische Berichte über Vor- und Nachteile zu erhalten.

4. Einzeln aber nicht allein

Sicher werden Sie zu Beginn Ihrer Tätigkeit noch vieles selbst erledigen (wollen/müssen), was zum Unternehmertum dazu gehört, aber nicht originär zur juristischen Dienstleistung. Allerdings ist dies mittel- und langfristig unwirtschaftlich. Sie sollten früh beginnen zu ermitteln, welche Tätigkeiten Sie nicht zwingend selbst erledigen müssen. Das Stichwort hierzu ist das kooperative Arbeiten mit Expertinnen und Experten. Dazu gehören z. B. Steuerberater:innen/Buchhalter:innen, IT-Dienstleister:innen, Marketingexpert:innen, aber auch Rechtsanwaltsfachangestellte oder Bürokaufleute.

Tipp: Es gibt viele Rechtsanwaltsfachangestellte und/oder Rechtsfachwirt:innen, die auf selbstständiger Basis hoch qualifizierte Sachbearbeitung erledigen. Auf diese Weise ist es möglich, flexibel zusammenzuarbeiten und je nach Anfall z. B. RVG- oder Stunden-Abrechnungen, Kostenfestsetzung, Forderungsmanagement/gerichtliche Mahnverfahren oder Zwangsvollstreckung durch freie Mitarbeitende ausführen zu lassen. Sie gewinnen dadurch freie Zeit, die Sie wiederum für Ihre juristische Dienstleistung einbringen können.

Gerade eine digital gut organisierte Kanzlei benötigt keine Mitarbeitenden oder Dienstleister mehr vor Ort. Per VPN (oder in Buchhaltungssachen durch Integration von entsprechenden Softwareschnittstellen) können z. B. Schreibdienste (sofern nicht ohnehin bereits Spracherkennung genutzt wird), Sachbearbeitung, Finanzbuchhaltung u. v. m. von Personen erledigt werden, die im gesamten Bundesgebiet verstreut sitzen. Ein großer Vorteil in Zeiten des Fachkräftemangels.

5. Fazit

Bereits bei Gründung einer Einzelkanzlei sollten grundsätzliche Fragen nach Digitalisierung von Prozessen beantwortet werden, um bereits von Beginn an notwendige technische und organisatorische Weichen zu stellen. Die vielfältigen Möglichkeiten, die sich bieten, erlauben flexibles und modernes Arbeiten sowie die unkomplizierte Kooperation mit Experten und Expertinnen, wenn sie nötig ist. Die Mandatsbearbeitung von der Anbahnung bis zur Aktenabrechnung und -ablage lässt sich nahezu vollständig papierlos abbilden und stellt auf diese Weise schnelle Kommunikation und sowie ressourcenschonende Dienstleistung sicher. Die Mandantenzufriedenheit steigt im selben Maße wie die Zufriedenheit von Einzelanwälten und Einzelanwältinnen, die die digitale Kanzlei im Rahmen einer gesunden Work-Life-Balance zu führen wissen.

Erfolg als Einzelanwältin (FiB)

Lesen Sie alles zum Thema Digitalisierung, Mandantengewinnung und Arbeitsoptimierung für Einzelkanzleien in unserer Fachinfo-Broschüre:

"Erfolg als Einzelanwalt“

Bild: Adobe Stock/©pressmaster
Viviane Schrader
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Viviane Schrader ist Rechtsfachwirtin und zertifizierte Personalmanagerin (DAM). Zurzeit ist sie hauptberuflich Gesellschafterin der Tietje & Schrader oHG, Kanzlei-Consulting. Zu ihren Spezialgebieten gehören Kanzleiorganisation, Personalmanagement und Kommunikation. Schrader besitzt mehrjährige Berufserfahrungen als Rechtsfachwirtin und Bürovorsteherin einer großen Kanzlei. Sie ist Dozentin für Personalwirtschaft, Mandantenbetreuung und Prozessablaufoptimierung.

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