Legal Tech Meetup

Legal Tech in Uni und Kanzleien: Wie digital sind sie bereits?
Das 6. Legal Tech Meetup NRW

Von Nadia Neuendorf

Beim sechsten Legal Tech NRW Meetup am 03. Juli 2019 lud die Kanzlei CMS Hasche Sigle in den Kölner Rheinauhafen ein. Was noch vor zwei Jahren von den Veranstaltern Wolters Kluwer Deutschland und der Kanzlei Wilde Beuger Solmecke in gemütlicher Kneipenrunde gestartet wurde, wurde nun mit über 100 angemeldeten Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst in den großzügigen Kanzleiräumen etwas eng.
Neben dem direkten Austausch zwischen Kolleginnen und Kollegen und Legal Tech-Interessierten versprach das Programm einen Einblick in die Nutzung von Legal Tech in der Großkanzlei sowie in die aktuellen Entwicklungen des Legal Tech Lab an der Uni Köln. In einer abschließenden Podiumsdiskussion wurde außerdem erörtert, wie digital Anwältinnen und Anwälte tatsächlich bereits arbeiten.

Einsatzgebiete von Legal Tech in der Großkanzlei

Im ersten Programmpunkt gewährte Dr. Frederik Leenen, LL.M. von CMS Hasche Sigle Einblicke in die Arbeit der Großkanzlei. Obwohl sich CMS erst seit wenigen Jahren mit dem Thema Legal Tech auseinandersetzt, gilt sie in Deutschland mittlerweile als einer der Vorreiter was den Einsatz von neuen, digitalen Lösungen angeht. Andere Großkanzleien seien längst noch nicht so weit, sich die Digitalisierung in diesem Ausmaß zunutze zu machen, so Leenen. CMS ist vornehmlich im B2B-Bereich, z. B. bei Streitfragen zwischen Unternehmen tätig. Konkret nutzt CMS dabei beispielsweise HotDocs, eine Software zur (teil-)automatisierten Dokumentenerstellung, um Standardschriftsätze wesentlich einfacher und schneller zu erstellen. Darüber hinaus verfügt die Kanzlei über ein selbstgebautes Klausel-Tool, das alle für die Kanzleiarbeit relevanten Klauseln enthält, um aus diesen Bausteinen effizient das gewünschte Schriftstück zu erstellen.

Große Dokumentenmengen automatisiert analysieren

CMS nutz außerdem das Dokumentenanalyse-Tool Kira. Vom Hersteller selbst als künstliche Intelligenz bezeichnet, ist die Software in der Lage, Klauseln und sonstige relevante Informationen aus Verträgen und anderen Dokumenten herauszufiltern. Dabei lernt der Algorithmus mit jedem neuen Schriftstück besser zu erkennen, welche Inhalte relevant sind und welche nicht. Eingesetzt werde die Software bei CMS u. a. zur Klauselerkennung, zum Massenvergleich und zur Textsuche. Dr. Frederik Leenen betonte allerdings, dass die Software nach wie vor nur als Assistenz dienen kann. Für alles Weitere sei sie noch nicht ausgereift genug, sodass eine Prüfung durch den Anwalt oder die Anwältin immer noch unerlässlich sei. Trotz dessen ermögliche Kira ein 10 bis 20 Prozent schnelleres Arbeiten – in seiner Branche bereits ein deutlicher Wettbewerbsvorteil.

Uni-Professorin Rostalski: „Die Praxis hat die Unis längst abgehängt“

Im Anschluss stellte sich das Legal Tech Lab der Universität zu Köln vor. Die erst in diesem Jahr unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Frauke Rostalski gegründete studentische Initiative möchte das Thema Legal Tech an der Universität etablieren und die Digitalisierung der Anwaltschaft aktiv mitgestalten. Derzeit besteht das Lab aus 25 Jura- und Informatikstudierenden. Ferdinand Wegener, Mitglied und Sprecher des Labs, begründete die Idee hinter dem Lab wie folgt: „Kein anderes Thema wird die juristische Arbeitsweise so verändern wie die Digitalisierung.“ Dennoch sei Legal Tech kaum Teil der regulären Lehrveranstaltungen: „Die Praxis hat die Unis längst abgehängt“, ergänzte Frau Prof. Dr. Dr. Rostalski. Dem wolle man mit Projekten wie dem Legal Tech Lab entgegenwirken.

Bürgerbeteiligung mithilfe von Legal Tech

Die einzelnen Projekte des Labs werden in eigenen Task Forces verfolgt. Dazu gehören zum Beispiel ein Legal Tech-Podcast, die Auseinandersetzung mit Anwendungsbeispielen und das Berichten über aktuelle Entwicklungen. Des Weiteren beschäftigen sich die Studierenden auch mit gesellschaftlichen Fragestellungen, die mithilfe von Legal Tech beantwortet werden könnten. Dazu zählt zum Beispiel die Auseinandersetzung mit dem Projekt „Smart Cities“ (z. B. Smart Melbourne), das digitale Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene fördert. So können Bürgerinnen und Bürger bei der smarten Städteplanung direkt mit einbezogen und Probleme wie Wohnungsnot oder dem Bau von Großprojekten – man denke an den Flughafen BER und Stuttgart 21 – vermieden werden. Ein anderes Projekt namens FixMyStreet ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern im Vereinigten Königreich, über eine Plattform Schlaglöcher zu melden, damit diese schnellstmöglich repariert werden.

Gravierende Unterschiede bei Strafzumessungen in Nord- und Süddeutschland

Eine weitere Task Force beschäftigt sich schließlich mit der Strafzumessung. Diese variiere laut Prof. Dr. Dr. Rostalski erheblich innerhalb Deutschlands. So sei gar ein Nord-Süd-Gefälle in der Milde der verhängten Strafen zu beobachten. Als Straftäter sei man also gut beraten, seine Straftat in Nord- und nicht in Süddeutschland zu begehen. Das Problem: Ein Gefühl der Ungerechtigkeit macht sich innerhalb der Bevölkerung breit, was einen massiven Vertrauensverlust in die Justiz zur Folge hat, so Prof. Dr. Dr. Rostalski. Das Lab hat sich aus diesen Gründen vorgenommen, eine Lösung für dieses Problem zu entwickeln – und zwar mithilfe von Transparenz. Der Plan ist es, Urteile zu sammeln und eine Datenbank zu Vergleichsfällen einzurichten. So kann der Münchener Richter nachschauen, wie ein Bremer oder Hamburger Richter in einem vergleichbaren Fall entschieden hat. Zudem sollen anschauliche Statistiken zum gewählten Strafmaß entwickelt werden.

Wie digital arbeiten Anwältinnen und Anwälte?

Zu guter Letzt stand die Podiumsdiskussion zum Thema „Fax vs. Cloud – wie digital ist der Rechtsmarkt wirklich?“ auf dem Programm. Das Thema ist besonders deshalb interessant, da das Outsourcing in Kanzleien seit November 2019 wesentlich weniger restriktiv behandelt wird. Damit ist für Cloud-Lösungen auch der Weg in die Kanzleien geebnet. Dr. Frederik Leenen mahnte allerdings an, dass „eine wirklich wasserdichte Nutzung nur bei deutschen bzw. in der EU ansässigen Anbietern“ möglich sei. Selbst Microsoft-Produkte, die mit einer Cloud arbeiteten, z. B. Google Docs, seien berufsrechtlich und strafrechtlich problematisch.

In der anschließenden Diskussion war man sich allerdings einig: Viele Kanzleien sind noch weit weg von einer digitalen oder gar vollständig papierlosen Kanzlei – und das trotz des beA, das einen ersten wichtigen Schritt in Richtung papierloser Kommunikation bewirkt hat. Immer noch sei die Papierakte die führende Akte – manch einer lasse sich sogar die beA-Nachrichten ausdrucken. Der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke berichtete dagegen, dass seine Kanzleimitarbeiter sehr zufrieden mit dem beA seien. Es laufe immer noch nicht alles perfekt, aber immerhin schneller und einfacher als vorher. So hatte das Faxen von großen Dokumenten immer Probleme gemacht – mit dem beA liefe der Versand nun wesentlich unproblematischer. Einer der anwesenden Gäste merkte zudem an, dass seine Kanzlei seit dem beA einen Großteil der Kosten für Toner und Papier spare.

Zwischen E-Mail-Verschlüsselung und künstlicher Intelligenz

Fazit des 6. Legal Tech Meetups: Die Digitalisierung hat in der Rechtsberatung viele neue Türen geöffnet und wird weiterhin viele neue öffnen. Dennoch sollte man sich nicht von einigen wenigen Kanzleien blenden lassen, die die Digitalisierung bereits vollumfänglich für sich nutzen. Für die Mehrheit der Kanzleien gilt vielmehr, dass sie am Anfang des komplexen Digitalisierungsprozesses stehen und sich zunächst mit grundlegenden Themen wie der elektronischen Akte oder E-Mail-Verschlüsselung auseinandersetzen müssen. Auch im Bereich der Lehre an den Universitäten besteht Nachholbedarf, wenn es darum geht, die Studentinnen und Studenten auf ein digitales Arbeiten und Mitgestalten vorzubereiten. Es bleibt also noch viel zu tun!

Fotos: © FFI-Verlag
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Nadia Neuendorf arbeitet als Produktmanagerin und Redakteurin beim FFI-Verlag. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist das Thema Legal Tech. ffi-verlag.de

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